Kinder des Judas
dann fällt sie in Ohnmacht. Bevor ihr Arm auf den Boden sinkt, halte ich ihn fest. Ich lecke ihre verschmierte Hand ab, und mit jeder Bewegung bekomme ich stärkeren Hunger.
Was für einen Geschmack sie besitzt! Sie hat gutes Blut. Es fließt jung und rein an meinem Gaumen entlang, ist aber viel zu wenig, um satt zu werden – ich brauche und will mehr, viel mehr …
Meine Beherrschung ist dahin, ich beiße zu und spucke die Finger aus. Aus den Stümpfen quillt er, der Wein der Verdammten.
Ein letztes Zögern, weil ich Marek nicht gewinnen lassen möchte – aber der Raum ist gesättigt mit dem betörenden Geruch, das Ambrosia rinnt davon und plätschert in meinen Ohren laut wie ein Fluss.
Vergeudung
, schreit es in mir,
Vergeudung!
Ich schaffe es nicht mehr, mich zurückzuhalten, und lege meinen Mund um die Fingerreste, sauge ihren Lebenssaft. Ich labe mich daran und spüre, dass etwas Uraltes in mir erwacht: Größe, Macht und Leidenschaft erstehen mit einer Urgewalt in mir, dass ich einen Schrei ausstoße und vergesse zu schlucken. Dunkle Energie jagt durch mich hindurch und bringt mich zum Schaudern. Ich fühle mich elektrisiert, aufgeladen und möchte nichts mehr von diesem Gefühl verlieren, sondern es weiter anfachen.
Das Blut läuft mir aus dem Mund, schnell lutsche ich weiter. Nichts darf verschwendet werden, auch nicht in diesem Überfluss!
»Scheiße, was …« Jemand packt mich unter den Achseln und reißt mich von der Frau weg; ich falle gegen einen Stuhl, dabei löst sich meine Maske und fällt auf das Gewirr aus Beinen, Armen und Leibern.
Mein Mahl darf nicht unterbrochen werden! Ich fahre knurrend herum. Ein einziger Schlag reicht aus, um dem Mann in der schwarzen Sicherheitsuniform den Nacken zu brechen und ihn vier Meter durch die Luft fliegen zu lassen. Ich kann meine wiedergewonnene Stärke noch nicht kontrollieren, es ist einfach zu lange her.
Ich wende mich wieder meinem Mahl zu, doch es kommt nichts mehr aus den Wunden der Frau. Aber es gibt noch so viele andere Gelegenheiten in der Halle, um den Hunger zu stillen.
Ein besonderer Duft steigt in meine Nase, ich richte mich auf und atme tief ein. Von
diesem
Menschen will ich kosten! Ich halte meinen Dolch bereit und gehe auf den Durchgang zu, den Tunnel, vor dem sich die Menschen stauen. Die hektische Flucht vor Madman und seinen merkwürdigen Pistolen hat dazu geführt, dass niemand mehr durch diese Röhre entkommt. Bislang sind nur wenige auf den Gedanken gekommen, es bei dem zweiten Tor zu versuchen. Der Herdentrieb des Viehs.
Männer und Frauen weichen vor mir zurück und spritzen auseinander wie Wasser, das sich auf eine heiße Herdplatte ergießt.
Ich lasse sie ziehen, denn irgendwo zwischen den Menschen im Tunnel steckt meine Beute. Mein Drang nach diesem Blut wird körperlich schmerzhaft.
Ich muss lachen, als ich die Gesichter sehe. Ängstliche Glotzaugen, von der Furcht aus den Köpfen geschoben. Ich stehe zwei Meter vor einer Wand aus Menschen entfernt und halte meine Waffe am ausgestreckten Arm, zeige mit der Klingenspitze ankündigend auf sie. Sie drängen sich zusammen, suchen Sicherheit tief in der Menge. Von dort kommt der Geruch, der mich zu einem Wesen mit exquisitem Blut führt.
Geschossgleich schnelle ich vorwärts, wirbele und schneide,möchte das warme, lebendige Blut auf mir spüren. Es soll mich tränken und bedecken.
Ein roter Regen ergießt sich von allen Seiten auf mich, ich steche auf alles ein, was ich um mich herum wahrnehme, und folge dennoch dem Geruch. Meine Lippen sind weit geöffnet, damit ich das spritzende Blut aufnehmen kann und nicht innehalten muss.
»Ihr seid nichts!«
Ich lache die vor Angst kreischende Menge aus und zerschmettere einem Mann, der sich gegen mich werfen will, mit einem Schlag das Brustbein; nach Luft ringend stürzt er und wird von anderen niedergetrampelt. »Ihr seid Vieh für mich! Vieh, das sein Fleisch für mich gibt!«
Bei Gott, ich schwöre: Ich bin so lebendig wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr!
Kein Kampf in diesem lächerlichen Ring kann mir den Rausch bescheren, den ich gerade durchlebe und der niemals enden soll. Mir ist gleich, wie viele Menschen deswegen ihr Leben geben, wie viele meine Klinge verletzt und für immer verstümmelt … Ich bin mehr wert, besser als sie!
Ich reiße irgendeine Frau nieder, schlage meine Zähne in ihren Hals und öffne das Fleisch mit meinem Dolch, als nicht genug Blut heraustritt. Als ihr Strom verebbt, richte ich mich
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