Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
Vom Netzwerk:
gegen sie – doch dieses Mal waren es mehr als zwanzig!
    Scylla blieb weniger als ein Lidschlag, um zu handeln.
    Während sie ihre Windgestalt annahm, lenkte sie gleichzeitig so viele Angriffe wie möglich vom Turm ab und schickte sie mitten zwischen die Gefährte. Sie fühlte das Kribbeln, als sieben der Blitze durch ihre schimmernde Form hindurch auf der Plattform einschlugen.
    Schwindel ergriff sie, die Anstrengung forderte ihren Tribut. Dennoch sah Scylla mit immenser Genugtuung, dass zwei Kutschen regelrecht gesprengt wurden, rauchende Trümmer wirbelten umher. Die Mehrzahl der Pferde lag regungslos auf der Erde, gelähmt von der Macht der Blitze, die in den Boden gestoßen waren und dort ihre Kraft entladen hatten.
    Unter ihr warf Viktor abwechselnd Säure- und Spiritusflaschen aus dem Fenster des obersten Stockwerks. Manchmal trafen die Geschosse, brennende Gestalten rutschten kreischend aus den Überresten ihrer Gefährte; andere Vampire waren ausgestiegen und schauten zu ihr hinauf; vier von ihnen verschwanden von einem Lidschlag auf den nächsten, während ihre Kleidung niederfiel.
    Es wurde Zeit zu gehen.
    Scylla schwebte hinüber zur Scheune, durch die obere Öffnung und hinunter zur Kutsche, vor der zwei Schimmel angespannt standen.
    Sie nahm ihre menschliche Form an und warf sich den Kutschermantel über, der am Haken neben der Durchgangstür zur Mühle hing, dann betätigte sie die Klingelschnur und gab Viktor das Zeichen, zu ihr zu kommen. Scylla setzte sich auf den Kutschbock, hob die Zügel und wartete voller Ungeduld, dass ihr Liebster erschien.
    Die Tür wurde aufgestoßen, und er kam keuchend in die Scheune gelaufen. In den Händen hielt er zwei Säureflaschen.
    Ehe er etwas sagten konnte, nickte sie zum Verschlag. »Steig ein! Wir müssen fliehen, sonst werden wir gemeinsam sterben. Sie sind zu stark.« Scylla sah ihn ernst an. »Und vergiss nicht, drinnen die Messer über die Fenster zu stecken.«
    Viktor ersparte sich jedes Wort und sprang in das Gefährt. Scylla schrie die Pferde an, ließ die Lederleinen auf ihren Rücken klatschten, und die Tiere rannten los. Dass das Tor geschlossen war, kümmerte sie nicht, die Deichsel ragte nach vorne über und wirkte wie ein Rammbock.
    Scylla lenkte die Kutsche durch die Trümmer und peitschte die Schimmel zu größter Geschwindigkeit an. Sie fuhr über Holzstücke, überrollte zwei brennende Gestalten und jagte den Weg hinab in den Wald. Sie wusste, dass die Cognatio ihr folgen würde. Viktor und ihr stand eine lange Flucht voller Unsicherheit bevor.
     
    Irina kauerte sich in die Mulde, die sie zehn Schritte von der Mühle entfernt im Hügel gefunden hatte.
    Die Tenjac hatte eigentlich noch einmal zurückkehren wollen, um sich Viktor endlich zu nehmen. Er gehörte ihr, daran änderte auch Scylla nichts. Doch als die Kutschen aufgetaucht waren und sie sich unvermittelt zwischen den Fronten befand, blieb ihr nichts weiter, als sich zu verbergen.
    Sie zitterte am ganzen Leib und schrie leise auf, als die Blitze ohrenbetäubend um sie herum einschlugen. Die Energien flossen durch den Boden und jagten Schmerzen durch ihren Leib, doch sie wagte sich nicht aus ihrer Deckung. Irina war sich sicher, dass es ihr Ende wäre, wenn man sie entdeckte.
    Sie hob vorsichtig den Kopf und sah, was sich abspielte: Eine Kutsche schoss in irrwitziger Fahrt zwischen den anderen Gefährten hindurch, auf dem Bock saß Scylla und trieb die Pferde mit lauten Schreien an; gleich darauf rollten drei Kutschen los und machten sich an die Verfolgung, die anderen waren entwederzu stark beschädigt, oder aber die Pferde lagen regungslos auf der Erde. Opfer der Blitze.
    Irina erlaubte sich ein leises Aufatmen.
    Sie fand es sehr aufschlussreich, dass sich die Judaskinder untereinander bekämpften. Waren die Tage ihrer Vorherrschaft vorüber? Zerfiel die Gemeinschaft, über die sie von Viktor so viel erfahren hatte?
    Sie verfolgte, wie zwei Judassöhne und eine Judastochter am Fuße des Mühlenturms beisammenstanden und sich berieten, dann verschwanden sie, während ihre Kleider an Ort und Stelle niederfielen.
    Das Unwetter über dem Gebäude beruhigte sich, und ein kühler Regenschauer ging aus den Wolken nieder, um die Flämmchen in den Trümmern zu löschen.
    Vorsichtig erhob sich Irina und näherte sich dem Eingang. Es gab sicherlich noch viel in der Bibliothek zu entdecken, und hoffentlich fand sie Bücher in ihrer Sprache.
    Sie huschte an den zerstörten Kutschen vorüber und

Weitere Kostenlose Bücher