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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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auf sie einstürmenden Eindrücke überrannten sie und trieben ihr Tränen in die Augen. Die Sorge um Viktor mischte sich in diese emporsprudelnden, für bewältigt gehaltenen Erinnerungen; schluchzend legte sie die rechte Hand vor die Augen und ergab sich den Gefühlen.
    Nach einigen Minuten zwang sie ihre Schwäche zurück. Sie musste Vorbereitungen treffen, gerüstet sein für den Angriff der Baroninnen und Barone. Traf sie dabei auf Lydia? Würde sie sich gegen sie stellen oder sich heraushalten?
    »Scylla?«, vernahm sie Viktors Ruf. »Ich bin fertig. Was kommt als Nächstes?«
    »Ich bin gleich oben«, rief sie zurück. Scylla hatte ihn bereits die Kutsche für die Flucht anspannen lassen, aber sie wollte es zuerst auf einen Schlagabtausch ankommen lassen. Sie ging davon aus, dass die Vertreter der Cognatio, die man gegen sie sandte, von ihrem Widerstand überrascht sein würden. In denLaboratorien lagerten Dinge, die man in einem Kampf durchaus verwenden konnte.
    Scylla hatte Viktor angewiesen, Kisten mit Säureflaschen und Spiritus nach oben zu bringen. Feuer und Säure richteten auch an Vampiren verheerenden Schaden an – und geschwächte Gegner waren leichter zu besiegen.
    Allerdings würden sie nur kurz Gelegenheit erhalten, ihre Mittel zum Einsatz zu bringen. Bevor sich die Cognatio von der Überraschung erholt hatte, mussten sie flüchten. Scylla wusste sehr genau, welche Fähigkeiten die einzelnen Vampire besaßen.
    Um ihren Liebsten machte sie sich die meisten Sorgen. Als Mensch zwischen kämpfenden Vampiren zu stehen war ungefähr so gefährlich, wie als Schaf unter hungrige Wölfe zu geraten …
    Ein Schatten huschte durch den Raum, glitt unbemerkt von Scylla heran und sah über ihre Schulter auf das Blatt.
    Die dunklen Augen erfassten die Zeilen.
    Scylla bemerkte den Atem in ihrem Nacken, bevor sie etwas sah. Plötzlich umgab sie Verwesungsgeruch. Sie wirbelte überrascht herum und erkannte die Silhouette hinter sich.
    »Umbra!«, rief sie erbost, legte das Blatt ab, zog ihren Dolch und stach nach dem Vampir, der einen raschen Satz zurück machte und dabei den Stuhl umstieß. »Hat Carzic dich geschickt, um mich und Viktor auszuspionieren?« Sie drang auf den Untoten ein, der sich darauf beschränkte, ihren Attacken auszuweichen. Scylla bemerkte, dass er sie weglocken wollte, und sah alarmiert zum Schreibtisch.
    Ein zweiter Umbra hatte sich aus seiner Deckung gewagt und sich das Blatt mit der Formel genommen.
    »Nein!«, schrie Scylla ihn an und sprang sieben Schritt weit, den Arm mit dem Dolch nach vorne gestreckt und auf das Herz des Vampirs gerichtet.
    Der Umbra hatte den Gang erreicht und rannte auf die Rampe zu, da jagte sie ihm die Schneide tief ins Herz und zerschnitt es längs; kreischend brach er zusammen.
    Scylla wurde ins Kreuz getroffen und nach vorne gegen ein Regal geschleudert; der Schwung war derart gewaltig, dass sie das Holz durchbrach und umringt von Büchern auf den Gang fiel. Ein langer Holzsplitter steckte in ihrer rechten Schulter und verursachte ihr Schmerzen. Wütend zog sie ihn aus dem Körper und wirbelte herum.
    Der Umbra hatte das Blatt aufgehoben und sah sie mit gefletschten Zähnen an.
    Ein kleiner Gegenstand flog durch die Luft und zerschellte klirrend am Kopf des Schattenkriechers, und sofort zischte es. Scherben fielen auf den Boden, stinkender Dampf quoll dick an die Decke der Bibliothek, während sich der Umbra unter Schmerzen wand und heulend nach seinem Schädel griff. Klare Flüssigkeit rann an seinem Hals herab, Nacken und Hals entlang, und zog qualmende Spuren durch das schwarze Fell der Kreatur.
    Viktor tauchte hinter dem Vampir auf und schoss beide Läufe seiner Pistole ab. Die Bleischrapnelle zerrissen den Brustkorb des Umbra mitsamt des Herzens; tot fiel die Kreatur auf die Erde. Das Blatt mit der Formel segelte langsam herab und landete einen halben Schritt weit vom Leichnam entfernt.
    Scylla stand auf und sah Viktor an. »Das war gut. Gefährlich, aber gut, mein tapferer Held.«
    »Ich wollte ein wenig üben, bevor wir uns auf den Kampf mit deinen ehemaligen Freunden einlassen«, erwiderte er und schien gefasst zu sein, doch sie erkannte, dass er Furcht in sich trug. Sehr verständlich. »Wo kamen sie her? An mir gelangte niemand vorbei.« Er sah auf den vernichteten Gegner und entdeckte den zweiten, der von Scylla getötet worden war.
    Sie hob das Papier auf, faltete es und steckte es ein. »Sie müssen sich schon länger hier aufgehalten haben.

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