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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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erscheint. »Ja, bitte?« Sie schaut mich fragend an.
    Langsam erhebe ich mich. Emma ist einen halben Kopf größer als ich, wie die meisten Frauen es heute sind. Zu meiner Zeit war man eben nicht so hochgewachsen. »Guten Tag, FrauKarkow. Ich wohne ein paar Straßen weiter und gehe oft hier vorbei, und da sind mir ihre schönen Fensterbilder aufgefallen«, erkläre ich lächelnd. »Halten Sie mich nicht für aufdringlich, aber wäre es vielleicht möglich, dass ich sie mir aus der Nähe betrachten darf? Ich bastele für mein Leben gerne.«
    Emma entspannt sich und fühlt sich gleichermaßen geschmeichelt. Da ich sie sehr gut kenne, weiß ich, dass sie mich hereinbitten wird. Sie ist in dieser Beziehung einfach zu freundlich. »Oh, Sie hätten nicht viel später kommen dürfen. Wir ziehen um, und damit verschwinden auch die Bilder von den Scheiben.« Sie schiebt Elena zur Seite, damit ich eintreten kann. »Kommen Sie, ich erkläre Ihnen, wie ich sie gemacht habe.«
    Ich trete über die Schwelle – das erste Mal, dass ich in ihrer Wohnung bin und sie nicht schlafen oder abwesend sind. »Das ist wirklich sehr nett von Ihnen.« In einer vertrauten Umgebung so zu tun, als sei man irgendwo das erste Mal, ist gar nicht so leicht, und ich muss mich sehr beherrschen, um mich nicht zu verraten.
    Emma führt mich ins Wohnzimmer, in dem der Duft von Plätzchen und Tannenbaum in der Luft hängt. »Schauen Sie einfach über das Chaos hinweg«, meint sie leicht verlegen und schlängelt sich an den Umzugskartons vorbei, die aufeinandergestapelt herumstehen. Sie geleitet mich ans Fenster und nimmt das Bild ab, auf dem ein Turm zu sehen ist.
    Er erinnert mich an die Windmühle.
    »Das ist im Grunde Scherenschnitttechnik«, legt sie los und erklärt mir, welche Lagen man wie übereinanderklappen muss, welche Vorzeichnungen notwendig sind und vieles mehr.
    Ich verfolge ihre Ausführungen nicht, sondern schaue zum ersten Mal aus der Nähe und ohne mich verbergen zu müssen in ihr Gesicht. Ihre Abstammung ist nicht zu verleugnen. Mein Blick richtet sich auf ihre Lippen, die sich unentwegt bewegen, wandert an der Nase entlang zu den Augen. Ich stelle mir vor,wie sie blind und tot aussehen werden, nachdem ich mit Emma fertig bin. Entseelt.
    Ich nicke viel, meine rechte Hand legt sich unter dem Mantel auf den Rücken, und ich tue so, als würde ich mein Kreuz stützen. Die Finger schließen sich um den Dolchgriff.
    Es wird schnell gehen
, verspreche ich Emma in Gedanken.
Du wirst nichts spüren.
Ich überlege, ob ich sie vorher vielleicht mit einem harten Schlag gegen die Schläfe betäuben soll und sie danach erst ersteche. Meine Tochter, die Nachkommin von vielen Generationen, die meinem Leib entsprungen sind …
    Plötzlich hält Emma mit ihrem engagierten Vortrag inne. »Verzeihen Sie, aber ich habe die ganze Zeit über das Gefühl, dass ich Sie kenne«, gesteht sie.
    »Ich … ich laufe sehr oft an dem Haus vorbei«, weiche ich aus.
    Doch sie schüttelt den Kopf. »Nein, es ist irgendwie …« Sie sucht nach den richtigen Worten.
    Elena hat mich die ganze Zeit über beobachtet. Sie steht mit verschränkten Armen vor mir und mustert mich unentwegt. »Ihr seht euch sehr ähnlich«, findet sie nach Abschluss ihrer eingehenden Betrachtung. »Ihr könntet Schwestern sein.«
    Emma sieht mich zuerst erstaunt an. Doch dann nickt sie. »Das wird es sein! Mir ist es vorhin schon aufgefallen, als ich die Tür geöffnet habe.«
    Ich muss schlucken. »Kennen Sie die Theorie, dass es von jedem Menschen auf der Welt irgendwo einen Doppelgänger gibt?«
    Sie lacht. »Ja, davon habe ich auch schon mal gehört.« Sie streicht Elena über den Schopf und zieht sie zu sich. »Aber ein bisschen merkwürdig ist das schon, oder?«, fügt sie hinzu. »Ich meine, dass zwei wildfremde Menschen einander derart ähneln und dann auch noch in derselben Stadt leben …«
    Ich nicke. Meine Hand hat sich so fest um den Dolchgriffgeklammert, dass das Material leise knirscht. Inzwischen kann ich keinen klaren Gedanken mehr fassen.
Zustoßen oder nicht, zustoßen oder nicht. »
Ja, merkwürdig«, stimme ich zu, und meine Stimme klingt wirklich belegt. Nach mehrfachem lautem Räuspern ist es wieder besser.
    Emma mustert mich intensiver. »Sagen Sie, vielleicht sind wir doch über sieben Ecken verwandt. Stammen Sie aus Leipzig?«
    »Nein«, flüchte ich sofort aus der Falle, in die sie mich unbewusst manövriert. »Nein, meine Vorfahren stammen aus dem Osten.«
    »Noch

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