Kinder des Mars
gar nicht. Falls Jack etwas herausfindet, kann das nicht schaden. Und ich werde ihn unterstützen, egal was er tut«, sagte Ella.
»Danke.« Jack war unendlich froh, dass Ella auf seiner Seite stand. »Ihr müsst nicht damit einverstanden sein, aber macht mir bitte keine Vorhaltungen. Wir sind schon so lange befreundet, ich will nicht mit euch streiten. Das kann ich wirklich nicht gebrauchen.«
»Ich auch nicht«, lenkte Paul ein. »Ich finde nur, dass du schon mal bessere Ideen hattest.« Er seufzte. »Aber ihr könnt auf uns zählen. Egal was ist.«
Nach der Beerdigung kehrte Jack an den Tatort zurück. Seine Freunde waren abgereist, Luke und Paul hatten Ella zum Flughafen gefahren.
Die Versiegelung durch die Polizei war aufgehoben. Das Appartement war wieder frei zugänglich. Hier wollte Jack anfangen. Das Büro seines Vaters würde er auch noch untersuchen. Doch wenn George Fuller etwas zu verbergen hatte, versteckte er es nicht am Arbeitsplatz. Und schon gar nicht in Gingers Haus. Also blieb dafür sein Appartement an der Upper Eastside.
Jack hielt einen Moment vor dem dunklen Fleck wenige Schritte hinter der Wohnungstür inne. Das war Tennants Blut, nachdem Mitch ihn angeschossen hatte. Im Esszimmer war ein größerer brauner Fleck. Eine Weile starrte Jack wie gebannt darauf. Dann schüttelte er den Kopf und riss sich los. Er konnte an dem Geschehenen nichts ändern und sich höchstens überlegen, ob er eine Reinigungsfirma oder gleich einen Teppichleger beauftragen sollte.
Systematisch begab Jack sich auf die Suche nach dem Safe oder Geheimfach, dass es irgendwo geben musste. Er klopfte die Wände ab, riss die Tapete herunter, suchte nach Bodendielen und Fliesen, die sich lösten, und losen Teppichenden.
Ohne Erfolg. Frustriert schlug Jack den Spiegel im Flur mit einer antiken Vase ein, die dabei ebenfalls zu Bruch ging. Er trat in eine Scherbe und fluchte. Humpelnd ging er ins Bad und stellte fest, dass der Schnitt nicht tief war und er die Wunde selbst mit einem großen Pflaster versorgen konnte. Seine Energie wurde durch den Kratzer nicht gedämpft. Er wütete bis spät in die Nacht und schlief schließlich erschöpft inmitten des Chaos ein.
Am nächsten Morgen fand Jack den Safe hinter dem Spiegel im Bad. Noch immer frustriert und müde wollte er sein eigenes Gesicht einfach nicht sehen. Ohne Hintergedanken nahm er die zweihundert Jahre alte Waschschüssel, die zur Dekoration auf einem Frisiertisch stand, und warf sie an die verspiegelte Wand. Der dazugehörige Wasserkrug folgte der Schüssel und brachte das großflächige Instrument der Eitelkeit zum Einsturz. Ein Netz von Rissen zog sich über das Glas, blieb einen Moment so hängen, und löste sich dann in unzählige zu Boden stürzende Scherben auf.
Dahinter kam ein graues Quadrat zum Vorschein, etwa vierzig mal vierzig Zentimeter, mit einer rechteckigen schwarzen Schaltfläche an der linken Seite. Sie zeigte die Zahlen von eins bis neun. Ein elektronisches Schloss, dass sich nur mit dem richtigen Code öffnete.
Die Worte seiner Mutter gingen Jack durch den Kopf. Scherben bringen Glück, kaputte Spiegel Unglück. War das nun Glück oder Unglück? Glück, weil er den Safe gefunden hatte. Unglück, weil er ihn nicht hätte finden sollen. Sein Vater hatte ihn absichtlich so gut versteckt. Er hatte ihn vor seinem Sohn verbergen wollen, wie so vieles andere. Aber Jack wollte den Safe finden, und er wollte dessen Inhalt, egal was darin war.
Was die Menschen wollen, ist nicht immer gut für sie. Und wenn sie es endlich bekommen, ist es meist das, was sie einst wollten. Es bringt ihnen nicht das erhoffte Glück, weil der alte Wunsch fast vergessen ist und sie inzwischen etwas anderes begehren, hatte Ginger gesagt.
Da liegst du falsch, Mom, dachte Jack. Zumindest in meinem Fall. Ich wollte ans MIT und nach Harvard. Und ich wollte es noch, als ich die Zulassung endlich hatte. Mein Streben ändert sich nicht wie ein Blatt im Wind. Ich will wissen, was an Thanksgiving passiert ist und warum. Und ich werde es noch wollen, wenn ich es endlich weiß, ganz gleich, was es ist.
Es gibt zwei Tragödien im Leben: Die eine ist, nicht zu bekommen, was man sich von Herzen wünscht. Die zweite ist, dass man es bekommt, hörte er seine Mutter George Bernard Shaw zitieren.
Jack ignorierte die warnende Stimme in seinem Kopf und begann verbissen, das elektronische Schloss zu knacken. Aufgeben kam nie für mich in Frage, erinnerst du dich, Mom? Jack probierte
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