Kinder des Mars
und organisierte die Beerdigung. Jacks und Ellas Platzwunden heilten und ihre blau-violetten Blutergüsse färbten sich grün und dann gelb. Nach einer Woche, rechtzeitig zu Georges Beerdigung, wurden beide entlassen. Nach Jacks Meinung höchste Zeit. Er wurde unruhig und hielt es nicht mehr im Krankenhaus aus.
»Ich kann Sie nicht länger hierbehalten«, sagte der behandelnde Arzt, Dr. Irving. »Körperlich scheinen Sie beide keine bleibenden Schäden erlitten zu haben. Doch ich kann Ihnen nur raten, bei jeglichen Beschwerden sofort einen Arzt aufzusuchen und in einigen Monaten einen routinemäßigen Check-Up zu machen. Außerdem sollten Sie sich bei Albträumen oder Angstzuständen Hilfe suchen.«
»Belehrung zur Kenntnis genommen. Unterschreiben Sie die Entlassungspapiere«, gab Jack gereizt zurück.
Ella neben ihm nickte nur.
Mit einer skeptisch hochgezogenen Braue unterschrieb Irving und schüttelte beiden die Hand. »Ich wünsche Ihnen alles Gute.« Einen Moment ruhte sein Blick auf den jungen Leuten, die nun nicht mehr seine Patienten waren, dann drehte er sich um und ging den Gang hinunter.
Jack sah ihm hinterher und sagte zu Ella: »Bei Angstzuständen rufe ich das Sicherheitspersonal. Als ob ein Psychologe etwas gegen Verbrecher mit Schusswaffen ausrichten könnte.«
»So hat er das sicher nicht gemeint«, erwiderte Ella sanft.
»Schon klar, aber mein Vater wurde erschossen. Wir waren dabei und wurden beide verprügelt. Ich denke, wir sollten uns Sorgen machen, wenn wir keine Albträume hätten.«
Ella sagte nichts.
Jack sah sie an, blickte in ihr bleiches Gesicht und bedauerte seine Worte. »Tut mir leid. Du solltest auf jeden Fall zu einem Psychiater gehen, wenn du es für richtig hältst.«
Ella lächelte gequält. »Nein, danke. Da müsste ich das Ganze erzählen und noch einmal erleben. Das will ich auf keinen Fall. Es hat mir schon gereicht, die Fragen der Polizei zu beantworten.«
»Mir geht es genauso. Die Aussage bei der Polizei war nötig, damit sie den Fall klären und die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen können. Aber ich sehe nicht, was es bringen soll, sich jetzt weiter damit zu beschäftigen. Das macht nichts besser, im Gegenteil. Am liebsten würde ich alles vergessen.«
»Komm, lass uns gehen.« In einer Hand hielt Ella ihre Tasche, die andere reichte sie Jack.
Er nahm sie und folgte ihr zum Ausgang.
George Fullers Beerdigung fand acht Tage nach Thanksgiving statt. Jack war dem Assistenten seines Vaters dankbar, dass er alles organisiert hatte. Andrew Phelps hatte einen stilvoll schlichten Sarg besorgt, mit dem Bestatter und dem Pfarrer gesprochen und den Leichenschmaus bestellt. Da Jack und Ella im Krankenhaus lagen, hatte Phelps sogar einen schwarzen Anzug für Jack und ein schwarzes Etuikleid für Ella gekauft. Gemeinsam mit Jack hatte er Trauerbriefe an alle Verwandten und Freunde geschickt und sie eingeladen, von George Abschied zu nehmen.
Viele bekannte Gesichter waren nicht dabei. Soweit Jack wusste, war er der einzige direkte lebende Verwandte seines Vaters. Georges Eltern waren längst tot, seine Schwester bereits als kleines Kind verstorben. Streng genommen war die Familie von Tante Rose alles, was Jack noch an Verwandtschaft hatte. Er selbst sah das etwas anders und bezeichnete Ella, Paul und Luke als seine Familie. Doch immerhin, Ellas Mutter Rose war mit ihrem Mann Zack und den anderen vier Kindern gekommen. Das war überraschend, da sie seit vier Jahren keinen Kontakt gepflegt hatten. Phelps hatte ihnen trotzdem eine Einladung geschickt, und hier waren sie, Tante Rose, Onkel Zack und Ellas Geschwister Sophie, Lucy, Grace und Teddy.
Ella begrüßte ihre Eltern und die älteren Schwestern Sophie und Lucy zurückhaltend, erst bei den jüngeren wurde sie weich. Grace war fünfzehn, Teddy zwölf. Sie hatten noch ihr ganzes Leben vor sich. Einer von ihnen könnte in Ellas Fußstapfen treten, von zu Hause weggehen, studieren, feststellen, dass es mehr als die Farm gab. Sophie und Lucy hatten Jungs aus dem Nachbardorf geheiratet, Sophie hatte sogar schon ein Kind, von dem sie stolz Fotos zeigte. Der Kleine war bei seinem Vater geblieben, wofür Jack dankbar war. Ein Baby musste wirklich nicht an einer Beerdigung teilnehmen.
Jack konnte sich noch an die Beerdigung seiner Mutter erinnern und wie der kleine Teddy die ganze Zeit lauthals geweint hatte. Einem achtjährigen sollte man so etwas nicht zumuten. Jetzt war er zwölf und schon zum zweiten Mal in seinem Leben
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