Kinder des Mars
später fiel Ella ins Bett und schlief augenblicklich ein.
Am Sonntagvormittag saßen Ella und Melissa im Starbucks in Santa Monica und tranken schwarzen Kaffee. Sie kannten sich so lange wie Jack und Paul sich kannten, seit dem ersten Tag am College. Allerdings hatten sie nie zusammen gewohnt, was ein Glück war. Hätten sie sich ein Zimmer teilen müssen, wäre die Freundschaft bald vorbei gewesen oder hätte sich erst gar nicht entwickelt. Melissas Vorstellung von Aufräumen entsprach nicht Ellas Sinn für Ordnung.
Auch privat waren sie verschieden. Während Ellas Vorfahren väterlicherseits schon im siebzehnten Jahrhundert aus Schottland nach Amerika ausgewandert waren, war Melissas Vater erst wenige Jahre vor ihrer Geburt von der Türkei nach Los Angeles ausgewandert. Ihm verdankte Melissa ihren Nachnamen Batman, der in den USA natürlich extrem cool war, in der Türkei allerdings nichts weiter als der Name des Ortes, aus dem ihr Großvater stammte. Der dunkle Held der Marvel Comics war dort gänzlich unbekannt und Batman bedeutete auf Türkisch nicht Fledermausmann.
Melissa war ein geselliger Mensch, verstand sich gut mit ihren Eltern und ihrer Schwester, ging häufig mit Freunden aus und hechtete stets irgendeiner Deadline hinterher. Ellas Freundeskreis dagegen war klein und sie hatte ihre Arbeit oft vor dem Abgabetermin erledigt. Das soziale Leben der beiden und ihre Arbeitsweise waren grundverschieden, ebenso ihr Musik- und Männergeschmack. Ihre wissenschaftlichen Interessen passten dafür umso besser zusammen.
Sie belegten fast immer die gleichen Kurse, und das ohne sich abzusprechen. Ihre Referate und Hausarbeiten gingen in dieselbe Richtung, daher bot es sich an, gemeinsam und ergänzend zu arbeiten. Hätte Ella dabei nicht oft Melissa gedrängt, sich mehr zu beeilen, wäre letztere wohl nie rechtzeitig mit etwas fertig geworden.
»Deine E-Mail war recht kryptisch«, begann Melissa nach der Begrüßung das Gespräch. »Erzähl mal, was in New York los war.«
Ella hatte am Sonntag vor einer Woche, als sie planmäßig nach L.A. hätte fliegen sollen, Melissa eine Nachricht geschickt: Kann noch nicht nach Hause kommen, bleibe länger bei Jack. Alles weitere, sobald ich zurück bin. Ella. Sie hatte nicht darüber reden wollen, aber sie konnte es ihrer besten Freundin nicht verschweigen. Ella berichtete Melissa alles, was vorgefallen war.
»Mein Gott! Warum hast du nichts gesagt? Bist du verrückt? Du hättest tot sein können! Und du rückst erst jetzt damit raus?« Melissa gestikulierte wild mit den Händen, um Ella ihr Unverständnis und ihre Sorge zu verdeutlichen.
»Es ist nicht leicht. Ich konnte unmöglich am Telefon darüber reden!« sagte Ella laut.
»Ok.« Betont ruhig lehnte Melissa sich zurück. »Schon gut. Das verstehe ich. Es ist nur...das ist eine Riesenschweinerei...aber...nur um sicher zu gehen, dass ich das verstanden habe...außer George hat niemand bleibende Schäden erlitten, oder? Sorry, das klingt so taktlos, ich weiß nur nicht, wie ich es sonst sagen soll...« Unruhig rutschte sie hin und her.
»Nein«, unterbrach Ella Melissas verschämtes Stammeln, »außer George kommen alle wieder in Ordnung. Sogar Celeste. Sie wurde am schlimmsten verprügelt und war bei der Beerdigung von George noch im Krankenhaus, aber der Arzt sagte, dass sie wieder wird und bald auch nach Hause darf.«
»Oh shit. Und Jack? Blöde Frage...«
»Er hält sich tapfer. Hör mal, ich konnte diese Geschichte schlecht vor dir verheimlichen, trotzdem will ich nicht mehr darüber reden. Im Moment jedenfalls nicht. Versprich mir, dass du das Thema ruhen lässt. Was ich jetzt brauche, ist ein Beweis, dass das Leben normal weitergeht.«
Melissa nickte. »In Ordnung. Was immer dir hilft.«
Sie sahen beide in ihre leeren Becher.
»Noch einen?«
»Gern.«
Während sie nachgefüllt bekamen, erstattete Melissa Bericht. »Callaghan lässt uns nicht das geplante Referat nachholen, das ist einfach unter den Tisch gefallen. Zum Ausgleich sollen wir einen Forschungsbericht zum Stand der Dinge im Bereich 'Antike Blutkulte' abliefern. Er plant ein Projekt für nächstes Semester in der Richtung, da würde ihm das helfen, und wir haben etwas gutzumachen.«
»Das ist aber nur sehr entfernt verwandt mit Zivilisationstheorie, oder?« Das war der Titel des Seminars von Dr. Callaghan dieses Semester.
»Ja, aber mit Kulturanthropologie hat es natürlich schon zu tun.«
»Hm. Stimmt. Und es klingt noch nicht mal so
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