Kinder Des Nebels
Atiums gehortet - Jahr für Jahr, seit tausend Jahren. Mit so viel Metall könnte Kelsiers Mannschaft sogar das mächtigste Haus einschüchtern. Yedens Vorhaben, den Palast zu erobern und zu halten, erschien den meisten als undurchführbar, und tatsächlich wäre er zum Scheitern verurteilt, wenn Kelsier nicht noch einen weiteren Plan hätte ...
Er betrachtete den kleinen, weißlichen Barren in seiner Hand. Das Elfte Metall. Er kannte alle Gerüchte darüber - schließlich hatte er sie selbst in Umlauf gebracht. Und nun musste er sich ihrer bedienen.
Er seufzte, sah nach Osten, auf Krediksheim, den Palast des Obersten Herrschers. »Kredik« war ein Begriff aus der Sprache der Terriser und bedeutete so viel wie »Berg der tausend Türme.« Das war passend, denn der Herrscherpalast wirkte wie eine Ansammlung von ungeheuren, in den Boden gerammten schwarzen Speeren. Einige der Türme waren verkrümmt, andere gerade; einige waren dick, andere dünn und nadelartig. Ihre Höhe war unterschiedlich, doch jeder einzelne strebte tief in den Himmel hinein. Und jeder endete in einer Spitze.
Krediksheim. Dort hatte es vor drei Jahren geendet. Und dorthin musste er zurückkehren.
Die Falltür öffnete sich, und eine Gestalt kletterte auf das Dach. Kelsier drehte sich mit erhobener Braue um, während Sazed sein Gewand abstaubte und sich ihm dann in seiner üblichen ehrerbietigen Haltung näherte. Sogar ein rebellischer Terriser behielt sein anerzogenes Gehabe bei.
»Meister Kelsier«, sagte Sazed und verneigte sich.
Kelsier nickte, und Sazed trat neben ihn und betrachtete den Herrscherpalast. »Ah«, sagte er zu sich selbst, als verstünde er nun Kelsiers Gedanken.
Kelsier lächelte. Sazed war wirklich ein wertvoller Verbündeter. Bewahrer waren notwendigerweise verschwiegen, denn der Oberste Herrscher jagte sie bereits seit dem Tag seiner Erhebung. Einige Legenden behaupteten, der Oberste Herrscher habe das Volk von Terris nur deshalb vollständig unterworfen und ihm seine Regeln der Zucht und Verwaltung aufgezwungen, weil er die Bewahrer so sehr hasste.
»Ich frage mich, was er wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass sich ein Bewahrer in Luthadel aufhält«, sagte Kelsier, »und das nur einen kurzen Fußmarsch vom Palast entfernt.«
»Wir sollten hoffen, dass er es nie herausfindet, Meister Kelsier«, erwiderte Sazed.
»Ich schätze die Bereitwilligkeit, mit der du diese Stadt betreten hast, Saze. Ich weiß, dass du damit ein großes Risiko eingegangen bist.«
»Es ist für einen guten Zweck«, wandte Sazed ein. »Außerdem ist Euer Plan für alle Beteiligten gefährlich. Ich glaube, die bloße Tatsache, dass ich lebe, bringt mich bereits in Gefahr. Es ist der Gesundheit nicht zuträglich, zu einer Sekte zu gehören, vor der sich der Oberste Herrscher fürchtet.«
»Fürchtet?«, fragte Kelsier und sah Sazed an. Trotz Kelsiers überdurchschnittlicher Statur war der Terriser noch einen Kopf größer als er. »Ich glaube nicht, dass er sich vor irgendetwas fürchtet.«
»Er fürchtet die Bewahrer«, beharrte Sazed. »Es ist eindeutig so, auch wenn niemand es erklären kann. Vielleicht hat es mit unseren Kräften zu tun. Wir sind zwar keine Allomanten, aber ... etwas anderes. Etwas, das er nicht kennt.«
Kelsier nickte und drehte sich wieder in Richtung der Stadt. Er hatte so viele Pläne, und es war noch so viel zu tun - und im Mittelpunkt von allem standen die Skaa. Die armen, erniedrigten, besiegten Skaa.
»Erzähl mir von anderen Religionen, Saze«, bat Kelsier ihn. »Von einer, die Macht besitzt.«
»Macht?«, fragte Saze. »Das ist ein relativer Begriff, wenn es um Religion geht. Vielleicht möchtet Ihr etwas über den Jaismus hören. Seine Anhänger waren sehr gläubig und fromm.«
»Dann erzähle mir davon.«
»Der Jaismus wurde von einem einzigen Menschen gegründet«, sagte Sazed. »Sein richtiger Name ist verlorengegangen, und seine Anhänger nannten ihn immer nur den ›Ja‹. Er wurde von einem örtlichen König ermordet, weil er Zwietracht säte - darin war er offenbar sehr gut -, aber das machte sein Gefolge nur noch größer. Die Jaisten glaubten, sie würden umso mehr Glück erlangen, je stärker ihre äußerliche Hingabe an den Kult war, und sie bekannten ihren Glauben regelmäßig und mit glühendem Eifer. Anscheinend konnte es sehr ermüdend sein, mit einem Jaisten zu sprechen, denn sie beendeten fast jeden ihrer Sätze mit ›Gepriesen sei der Ja‹.«
»Das ist ja ganz nett«, meinte
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