Kinder Des Nebels
Kelsier, »Aber Macht ist mehr als nur ein paar Worte.«
»Oh, allerdings«, stimmte Sazed ihm zu. »Die Jaisten waren stark in ihrem Glauben. Die Legenden besagen, dass das Ministerium sie vollständig auslöschen musste, denn kein einziger Jaist wollte den Obersten Herrscher als seinen Gott anerkennen. Nach der Erhebung gab es sie nicht mehr lange, aber sie waren nur deshalb so einfach zu jagen und zur Strecke zu bringen, weil sie so viel Lärm um ihren Glauben machten.«
Kelsier nickte und sah Sazed lächelnd an. »Du hast mich noch nicht gefragt, ob ich mich zu diesem Glauben bekehren will.«
»Ich bitte um Entschuldigung, Meister Kelsier«, sagte Sazed, »aber ich glaube, diese Religion würde nicht zu Euch passen. Sie besitzt einen Grad von Unverfrorenheit, den Ihr erschreckend finden könntet, aber ihre Theologie ist recht einfach.«
»Du kennst mich zu gut«, meinte Kelsier, der noch immer die Stadt betrachtete. »Nachdem Königreiche und Armeen gefallen waren, kämpften die Religionen nach wie vor gegeneinander, nicht wahr?«
»Allerdings«, bestätigte Sazed. »Einige der hartnäckigeren Religionen überdauerten bis ins fünfte Jahrhundert hinein.«
»Was hat sie so stark gemacht?«, fragte Kelsier. »Wie haben sie das geschafft? Was hat diesen Religionen eine solche Macht über die Menschen verliehen?«
»Dafür gibt es nicht nur einen einzelnen Grund«, erklärte Sazed. »Einige waren stark durch ihren aufrichtigen Glauben, andere durch die Hoffnung, die sie versprachen. Und andere übten Zwang aus.«
»Aber sie alle besaßen Leidenschaff«, bemerkte Kelsier.
»Ja«, bestätigte Sazed nickend. »Das ist eine zutreffende Bemerkung.«
»Und genau das ist es, was wir verloren haben«, sagte Kelsier und schaute über die Stadt mit ihren Hunderttausenden Einwohnern, von denen nur eine Handvoll zu kämpfen wagte. »Sie glauben nicht an den Obersten Herrscher, sie fürchten ihn einfach nur. Sie haben nichts mehr, woran sie glauben könnten.«
»Woran glaubt
Ihr,
wenn ich fragen darf, Meister Kelsier?«
Kelsier hob eine Braue. »Ich bin mir nicht ganz sicher«, gab er zu. »Aber fürs Erste reicht wohl mein Glaube an die Überwindbarkeit des Letzten Reiches. Gibt es auf deiner Liste eine Religion, die das Ermorden von Adligen als heilige Pflicht ansieht?«
Sazed runzelte missbilligend die Stirn. »Das glaube ich nicht, Meister Kelsier.«
»Vielleicht sollte ich eine gründen«, meinte Kelsier mit breitem Grinsen. »Wie dem auch sei, sind Weher und Vin schon zurückgekehrt?«
»Ja, kurz bevor ich hier heraufkam.«
»Gut«, sagte Kelsier und nickte. »Sag ihnen, dass ich sie gleich aufsuchen werde.«
*
Vin saß in ihrem Polstersessel im Besprechungszimmer, hatte die Beine untergeschlagen und beobachtete Marsch aus den Augenwinkeln heraus.
Er ähnelte Kelsier stark. Er war nur so ... ernst. Er war weder wütend noch so mürrisch wie Keuler. Er war nur einfach nicht glücklich. Mit unbeteiligter Miene saß er in seinem Sessel.
Alle anderen außer Kelsier waren inzwischen eingetroffen, und sie unterhielten sich leise miteinander. Vin fing Lestiborners Blick auf und winkte ihm zu. Der Junge näherte sich ihr und kauerte sich neben ihrem Sessel nieder.
»Marsch«, flüsterte Vin im allgemeinen Summen der Unterhaltung. »Ist das sein Spitzname?«
»Iss nur der Rufname vun seine Eldern.« Vin hielt inne und versuchte den östlichen Dialekt des Jungen zu verstehen. »Also kein Spitzname.« Lestiborner schüttelte den Kopf. »Hatt aber nen.«
»Und wie lautet der?«
»Eisenauge. De annnern sagn ihn nich mehr. Klingt zu sehr nach Eisen im richtjen Aug, äh? Nach Inquisitor.«
Vin sah wieder hinüber zu Marsch. Sein Gesichtsausdruck kündete von Härte, sein Blick war starr, als ob seine Augen tatsächlich aus Eisen bestünden. Sie verstand, warum niemand mehr seinen Spitznamen verwendete. Schon die Erwähnung eines Inquisitors verursachte ihr eine Gänsehaut.
»Danke.«
Lestiborner lächelte. Er war ein aufrichtiger Junge. Seltsam, heftig und sprunghaft, aber aufrichtig. Er zog sich auf seinen Schemel zurück, als Kelsier schließlich eintraf.
»In Ordnung, Leute«, sagte er. »Was haben wir?«
»Außer schlechten Nachrichten?«, fragte Weher.
»Ich will alles hören.«
»Wir sind seit zwölf Wochen am Werk, und inzwischen haben wir zweitausend Männer zusammen«, sagte Hamm. »Selbst wenn wir diejenigen dazuzählen, die die Rebellion bereits in ihren Reihen hat, erreichen wir die vereinbarte
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