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Kinder Des Nebels

Kinder Des Nebels

Titel: Kinder Des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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Anstrengung ein, drückte innerlich gegen Camon und besänftigte seine Wut.
    Camon schwankte. Einen Moment lang wurde sein Blick sanfter. Er ließ sie ein Stück hinunter.
    Dann kehrte die Wut in seine Augen zurück. Hart. Erschreckend.
    »Verdammtes Biest«, murmelte Camon, packte sie bei den Schultern und schüttelte sie durch. »Dein hinterhältiger Bruder hat mich nie respektiert, und du bist genauso. Ich war zu gut zu euch beiden. Ich hätte euch ...«
    Vin versuchte sich frei zu winden, doch Camons Griff war zu fest. Verzweifelt hoffte sie auf Hilfe von den anderen Bandenmitgliedern, doch sie wusste, was sie zu erwarten hatte. Gleichgültigkeit. Alle wandten sich ab; sie wirkten verlegen, aber sie taten nichts. Ulef stand noch immer neben Camons Tisch und hatte den Blick schuldbewusst auf den Boden gerichtet.
    Sie glaubte, in ihrem Kopf eine Stimme flüstern zu hören. Reens Stimme.
Dummkopf! Unbarmherzigkeit ist die logischste aller Empfindungen. Du hast keine Freunde in der Unterwelt. Du wirst niemals Freunde in der Unterwelt haben!
    Sie verstärkte ihre Anstrengungen, doch Camon schlug sie erneut und schickte sie wieder zu Boden. Der Schlag machte sie benommen. Sie keuchte auf; die Luft entwich aus ihrer Lunge.
    Halte durch,
dachte sie verworren.
Er wird mich nicht umbringen. Er braucht mich.
    Doch als sie sich geschwächt umdrehte, sah sie, wie Camon in dem düsteren Raum über ihr aufragte. Trunkene Wut zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Da wusste sie, dass es diesmal anders war. Es war keine einfache Bestrafung mehr. Er glaubte, sie habe ihn an das Ministerium verraten wollen. Er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle.
    Mordlust funkelte in seinen Augen.
    Bitte nicht!,
dachte Vin verzweifelt. Sie tastete nach ihrem »Glück« und versuchte es einzusetzen. Doch es kam keine Antwort. Diese Art von Glück hatte sie verlassen.
    Camon beugte sich zu ihr nieder und murmelte etwas Unverständliches, während er sie abermals bei der Schulter packte. Er hob den Arm, ballte die fleischige Hand zur Faust, spannte die Muskeln an, bis ihm ein wütender Schweißtropfen vom Kinn fiel, und schlug ihr mit aller Kraft gegen die Wange.
    Nur wenige Schritte entfernt erbebte plötzlich die Tür und sprang auf. Camon hielt mit erhobenem Arm inne. Er starrte auf die Tür und schien herausfinden zu wollen, welches unglückliche Bandenmitglied sich diesen ungeeigneten Augenblick für seine Rückkehr in den Unterschlupf ausgesucht hatte.
    Vin machte sich diese Ablenkung zunutze. Sie beachtete den Neuankömmling nicht, sondern versuchte sich aus Camons Griff zu winden, aber sie war zu schwach. Ihr Gesicht brannte dort, wo er sie geschlagen hatte, und sie schmeckte Blut auf der Lippe. Ihre Schulter war schrecklich verzerrt, und ihre Seite schmerzte von dem Sturz. Sie verkrallte sich in Camons Hand, fühlte sich aber plötzlich ganz schwach. Ihre innere Kraft hatte sie genauso verlassen wie ihr Glück. Nun wurden die Schmerzen stärker, erschreckender ... fordernder.
    Verzweifelt drehte sie sich zur Tür um. Sie war ihr nahe - quälend nahe. Sie wäre beinahe entkommen. Nur noch ein Stückchen ...
    Dann sah sie den Mann, der still in der Tür stand. Sie kannte ihn nicht. Er war groß und adlerartig, hatte hellblondes Haar und trug den bequemen Anzug eines Adligen; der Mantel hing ihm locker um die Schultern. Er war vielleicht Mitte dreißig. Er trug keinen Hut und auch keinen Duellstab.
    Und er wirkte sehr, sehr wütend.
    »Was soll das?«, wollte Camon wissen. »Wer seid Ihr?«
    Wie ist er an den Wächtern vorbeigekommen?,
dachte Vin und bemühte sich, wieder klar zu denken. Der Schmerz. Mit dem Schmerz konnte sie umgehen.
Die Obligatoren ... haben sie ihn hergeschickt?
    Der Neuankömmling sah hinunter auf Vin, und seine Miene hellte sich ein wenig auf. Dann schaute er Camon an, und seine Augen verdüsterten sich.
    Camons wütende Worte wurden abgeschnitten, als er plötzlich wie von einer gewaltigen Kraft getroffen nach hinten geschleudert wurde. Sein Arm wurde von Vins Schulter gerissen. Er stürzte zu Boden, und die Dielen erbebten.
    Es wurde still im Raum.
    Ich muss weglaufen,
dachte Vin und zwang sich auf die Knie. Einige Schritte von ihr entfernt ächzte Camon vor Schmerzen auf. Vin kroch von ihm fort und schlüpfte unter einen unbesetzten Tisch. Der Unterschlupf besaß einen verborgenen Ausgang, eine Geheimtür in der hinteren Wand. Wenn sie es schaffte, dorthin zu gelangen ...
    Plötzlich verspürte Vin einen

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