Kinder Des Nebels
Mörder und Diebe einschüchtern konnte.
Sie warf einen Blick hinüber zu der verriegelten Tür. Kelsier beobachtete sie. Was würde er wohl tun, wenn sie jetzt losrannte?
Er behauptet, einen Inquisitor getötet zu haben,
dachte Vin.
Und er hat »Glück« eingesetzt. Ich muss hierbleiben, wenigstens so lange, bis ich herausgefunden habe, was er weiß.
Kelsiers Grinsen wurde breiter, und schließlich lachte er laut auf. »Das war einfach ein zu großer Spaß, Dox.«
Der andere Mann, den Camon Docksohn genannt hatte, schnaubte und schritt zum vorderen Teil des Raumes. Vin spannte sich an, aber er kam nicht auf sie zu, sondern schlenderte hinüber zum Tresen.
»Du warst schon früher unerträglich, Kell«, sagte Docksohn. »Ich weiß nicht, wie ich mit deinem neuen Ruf umgehen soll. Zumindest weiß ich nicht, wie ich dabei ein unbeteiligtes Gesicht machen soll.«
»Du bist eifersüchtig.«
»Das muss es sein«, meinte Docksohn. »Ich bin schrecklich eifersüchtig auf deine Fähigkeit, kleine Diebe einzuschüchtern. Falls es dich interessiert, möchte ich dir sagen, dass du meiner Meinung nach zu harsch mit Camon umgegangen bist.«
Kelsier setzte sich an einen der Tische. Seine gute Laune war ein wenig gedämpft, als er sagte: »Du hast gesehen, was er mit dem Mädchen gemacht hat.«
»Nein, eigentlich nicht«, antwortete Docksohn trocken und durchsuchte dabei die Bestände hinter dem Tresen. »Jemand hat mir dabei die Sicht versperrt.«
Kelsier zuckte die Achseln. »Sieh sie dir an, Dox. Das arme Ding ist doch fast bewusstlos geprügelt worden. Ich habe kein Mitleid mit dem Mann.«
Vin rührte sich nicht und sah die beiden Männer wachsam an. Als die Spannung des Augenblicks schwächer wurde, schmerzten ihre Wunden wieder. Der Schlag zwischen die Schulterblätter - er würde einen großen Bluterguss zur Folge haben - und die Ohrfeige verursachten ein brennendes Gefühl. Noch immer war sie ein wenig benommen.
Kelsier beobachtete sie. Vin biss die Zähne zusammen. Mit den Schmerzen konnte sie umgehen.
»Brauchst du etwas, mein Kind?«, fragte Docksohn. »Vielleicht ein feuchtes Taschentuch für dein Gesicht?«
Sie gab keine Antwort und wandte den Blick nicht von Kelsier ab.
Na los. Sag mir, was du von mir willst. Mach deinen Zug.
Schließlich zuckte Docksohn die Achseln und duckte sich hinter den Tresen. Kurz darauf kam er mit ein paar Flaschen wieder zum Vorschein.
»Etwas Gutes?«, fragte Kelsier und wandte sich ihm zu.
»Was erwartest du denn?«, meinte Docksohn. »Selbst unter Dieben ist Camon nicht gerade berühmt für seinen guten Geschmack. Ich habe Socken, die mehr wert sind als dieser Wein hier.«
Kelsier seufzte. »Gib mir trotzdem einen Becher.« Dann schaute er wieder Vin an. »Willst du etwas haben?« Vin erwiderte nichts darauf.
Kelsier lächelte. »Mach dir keine Sorgen. Wir sind viel weniger schrecklich, als deine Freunde glauben.«
»Ich bin nicht der Meinung, dass es ihre Freunde sind, Kell«, sagte Docksohn hinter dem Tresen.
»Gut beobachtet«, stimmte Kelsier ihm zu. »Trotzdem hast du von uns nichts zu befürchten, Kind. Nichts außer Docksohns schlechtem Atem.«
Docksohn rollte mit den Augen. »Und außer Kells Witzen.«
Vin stand reglos da. Sie könnte sich ergeben, wie sie es bei Camon getan hatte, aber ihr Instinkt verriet ihr, dass ihr diese Taktik diesmal nicht helfen würde. Also blieb sie da, wo sie gerade stand, und versuchte die Lage einzuschätzen.
Abermals senkte sich Ruhe auf sie nieder. Sie wurde ermuntert, sich wohlzufühlen, zu vertrauen und einfach nur das zu tun, was die Männer vorschlugen ...
Nein!
Sie blieb, wo sie war.
Kelsier hob eine Braue. »Das ist erstaunlich.«
»Was?«, fragte Docksohn, während er Wein in einen Becher goss.
»Ach, nichts«, meinte Kelsier nur und sah Vin eingehend an.
»Willst du etwas zu trinken haben oder nicht, Mädchen?«, fragte Docksohn.
Vin sagte nichts darauf. Seit sie sich erinnern konnte, hatte sie ihr »Glück« gehabt - das ganze Leben hindurch. Es hatte sie stark gemacht und ihr einen Vorteil vor den Dieben verschafft. Das war vermutlich der Grund, warum sie noch lebte. Doch die ganze Zeit über hatte sie nicht wirklich gewusst, worum es sich dabei handelte oder warum sie sich dieser Gabe bedienen konnte. Logik und Instinkt sagten ihr, dass sie unbedingt herausfinden musste, was dieser Mann wusste.
Auf welche Weise er sie auch immer benutzen wollte und was seine Pläne sein mochten, sie musste es ertragen. Sie
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