Kinder Des Nebels
Der junge Wager hätte vorsichtiger mit dem sein sollen, was er seinen Damen erzählt.«
Vin drehte sich wieder zu der grinsenden Kliss um. Die Frau blinzelte ihr zu. »Ich werde Euer allomantisches Geheimnis in meinem Busen bewahren, Kind. Sorgt nur dafür, dass ich morgen Nachmittag bezahlt werde. Schans Mörder werden heute Abend einen ziemlichen Aufruhr verursachen. Es würde mich nicht wundern, wenn der halbe Hofstaat zu den Gemächern des Jungen eilen und nachsehen wird, was da los ist. Und wenn der Hof sieht, welche Bücher Elant hat ... Ich will es einmal so ausdrücken: Die Obligatoren werden für eine ganze Weile großes Interesse am Hause Wager haben. Zu schade, dass Elant dann schon tot ist. Wir haben lange keine öffentliche Hinrichtung eines Adligen mehr miterlebt.«
Elants Zimmer,
dachte Vin verzweifelt.
Sie müssen dort sein!
Sie drehte sich wieder um, raffte ihr Kleid und rauschte wie eine Rasende die Galerie entlang zu dem Korridor, den sie noch vor wenigen Minuten verlassen hatte.
»Wohin lauft Ihr?«, fragte Kliss erstaunt.
»Ich muss es aufhalten!«, rief Vin.
Kliss lachte. »Ich habe Euch doch schon gesagt, dass Ihr zu spät kommt. Wager ist eine sehr alte Festung, und die Gänge, die zu den Gemächern der Grafen führen, sind ein richtiges Labyrinth. Wenn Ihr den Weg nicht kennt, könnt Ihr stundenlang darin herumirren.« Vin blieb stehen und warf einen Blick hinter sich. Sie fühlte sich völlig hilflos.
»Außerdem, Kind«, fügte Kliss hinzu, während sie sich anschickte fortzugehen, »hat der Junge Euch doch gerade sitzengelassen. Was schuldet Ihr ihm denn?«
Sie hat Recht. Was schulde ich ihm?
Die Antwort kam sofort.
Ich liebe ihn.
Mit diesem Gedanken kehrte ihre Stärke zurück. Trotz Kliss' Gelächter rannte Vin weiter. Sie musste es versuchen. Sie betrat den Korridor und lief zu den Gängen im hinteren Teil der Festung. Doch Kliss' Worte sollten sich nur zu bald als wahr erweisen. Die dunklen, labyrinthischen Gänge waren eng und ohne jeden Zierrat. Sie würde ihr Ziel niemals rechtzeitig finden.
Das Dach,
dachte sie.
Elants Zimmer haben bestimmt einen Außenbalkon. Ich brauche ein Fenster!
Sie schoss einen Korridor entlang, trat ihre Schuhe fort, blieb kurz stehen und zog sich die Strümpfe aus, dann rannte sie so schnell wie möglich in ihrem Kleid weiter. Wie eine Wahnsinnige suchte sie nach einem Fenster, durch das sie hindurchpasste. Sie kam in einen größeren Gang, der außer einigen flackernden Fackeln leer war.
Ein großes lavendelfarbenes Rosettenfenster befand sich am hinteren Ende des Ganges.
Gut,
dachte Vin. Sie fachte ihren Stahl an, sprang in die Luft und stieß sich mit ihren inneren Kräften von der Eisentür hinter ihr ab. Kurz flog sie voran, dann drückte sie mächtig gegen das Blei in der Fensterrosette.
In der Luft kam sie zum Stillstand und drückte gleichzeitig nach vorn und nach hinten. Sie verbrannte Weißblech, damit sie nicht zerschmettert wurde. Die Fensterrosette war gewaltig, aber sie bestand hauptsächlich aus Glas. Wie stark mochte es sein?
Sehr stark. Vin ächzte unter dem Druck. Sie hörte ein peitschendes Geräusch hinter sich, und die Tür regte sich in den Angeln.
Du ... musst ... nachgeben!,
dachte sie wütend und fachte ihren Stahl noch stärker an. Steinbrocken fielen aus der Wand neben dem Fenster.
Dann, mit einem knirschenden Laut, platzte das Rosettenfenster aus seiner Verankerung. Es fiel rückwärts in die finstere Nacht, und Vin schoss hinter ihm her.
Kühler Nebel hüllte sie ein. Sie zog leicht an der Tür hinter ihr im Gang, damit sie nicht zu weit in die Dunkelheit flog, und drückte dann heftig gegen das fallende Fenster. Die gewaltige dunkle Glasfläche stürzte unter ihr dem Boden entgegen und wirbelte die Nebelschwaden auf, während Vin davonschoss, geradewegs auf das Dach zu.
Das Fenster prallte auf die Erde, als Vin gerade über den Rand des Daches setzte; ihr Kleid flatterte wirr im Wind. Mit einem leisen, dumpfen Geräusch landete sie auf den Bronzeschindeln und kauerte sich zusammen. Das Metall fühlte sich kalt unter ihren Zehen und Fingern an.
Das Zinn loderte in ihr auf, und die Nacht wurde heller. Vin sah nichts Außergewöhnliches.
Sie verbrannte Bronze, benutzte sie, wie Marsch es ihr beigebracht hatte, und suchte nach Anzeichen für die Gegenwart von Allomantie. Es gab keine. Die Mörder hatten einen Raucher dabei.
Ich kann doch nicht das ganze Gebäude absuchen!,
dachte Vin verzweifelt und fachte
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