Kinder Des Nebels
die Lanze fallen, betastete ihr Gesicht und fühlte Blut. Sie taumelte rückwärts und sah das Grinsen auf Schans Gesicht.
Und dann erinnerte sich Vin an die Phiole. An diejenige, die sie noch bei sich trug - diejenige, die Kelsier ihr gegeben hatte.
Das Atium.
Sie machte sich nicht die Mühe, es von dort hervorzuholen, wo sie es im Bund ihrer Unterhose versteckt hatte. Sie verbrannte Stahl, drückte die Phiole in die Luft vor sich. Dann verbrannte sie sofort Eisen und zerrte an der kleinen Atiumkugel.
Die Phiole zersprang, und das Kügelchen schoss auf Vin zu. Sie fing es mit dem Mund auf und verschluckte es.
Schan hielt kurz inne. Dann, bevor Vin etwas dagegen unternehmen konnte, schüttete sie den Inhalt ihrer eigenen Phiole hinunter.
Natürlich besitzt sie ebenfalls Atium!
Aber wieviel? Kelsier hatte Vin keine große Menge davon gegeben; es reichte für höchstens dreißig Sekunden. Grinsend sprang Schan vor; ihr langes schwarzes Haar flatterte in der Luft. Vin biss die Zähne zusammen. Es blieb ihr keine andere Wahl.
Sie verbrannte das Atium. Sofort schossen aus Schans Gestalt Dutzende von Phantomschatten. Nun waren sie gleich stark. Der Erste, dem das Atium ausging, war verloren. Man konnte einem Gegner nicht entgehen, wenn dieser genau wusste, was man als Nächstes tun würde.
Vin taumelte zurück und behielt Schan im Auge. Die Adlige schlich auf sie zu; ihre Phantome erschufen ein verrücktes Brodeln durchscheinender Bewegungen um sie herum. Sie schien ruhig zu sein. Siegessicher.
Sie hat eine Menge Atium,
dachte Vin und spürte, wie ihr eigener Vorrat bereits zur Neige ging.
Ich muss von hier verschwinden.
Plötzlich schoss eine hölzerne Phantomstange durch Vins Brust. Sie duckte sich zur Seite, gerade als der Pfeil - anscheinend ohne Spitze - dort durch die Luft schwirrte, wo sie soeben noch gestanden hatte. Sie warf einen raschen Blick auf das Torhaus, wo einige Soldaten ihre Bogen spannten.
Fluchend schaute sie neben sich in den Nebel. Dabei erhaschte sie einen Blick auf Schans Grinsen.
Sie wartet darauf, dass mir das Atium ausgeht. Sie will, dass ich weglaufe - sie weiß, dass sie mich dann zur Strecke bringen kann.
Es gab nur eine andere Möglichkeit: Angriff.
Erstaunt runzelte Schan die Stirn, als Vin plötzlich nach vorn schoss. Phantompfeile schlugen gegen den Stein, kurz bevor ihre echten Gegenstücke herbeiflogen. Vin duckte sich unter zwei Pfeilen hinweg - ihr vom Atium geschärfter Verstand wusste genau, wie sie sich zu bewegen hatte - und spürte dabei den Luftzug, den die beiden Geschosse rechts und links von ihr verursachten.
Schan schwang ihre Dolche. Vin drehte sich zur Seite, entging knapp einem Stoß und fing den anderen mit ihrem Unterarm ab, was ihr eine tiefe Fleischwunde einbrachte. Ihr Blut floss, als sie herumwirbelte - jeder Tropfen warf ein durchscheinendes Atiumbild in den Nebel -, dann verbrannte sie Weißblech und boxte Schan mitten in den Bauch.
Schan grunzte vor Schmerz auf, beugte sich leicht vor, ging aber nicht zu Boden.
Mein Atium ist fast weg,
dachte Vin verzweifelt.
Es reicht nur noch für ein paar Sekunden.
Sie löschte es vorzeitig und gab sich damit preis.
Schan lächelte böse. Sie richtete sich wieder auf und schwang siegesgewiss den Dolch in ihrer rechten Hand. Sie vermutete, dass Vin das Atium ausgegangen und sie damit verwundbar war.
In diesem Augenblick verbrannte Vin ihren letzten Rest Atium. Schan hielt in ihrer Verwirrung nur ganz kurz inne und verschaffte dadurch Vin die Gelegenheit, die sie brauchte, während ein Phantompfeil durch den Nebel knapp über ihr flog.
Vin fing den wirklichen Pfeil, der kurz danach folgte, mit der Hand ab - das faserige Holz brannte in ihren Fingern - und rammte ihn in Schans Brust. Der Schaft zerbrach in Vins Hand, und nur noch ein Zoll stach aus Schans Körper hervor. Die Frau taumelte nach hinten, blieb aber auf den Beinen.
Verdammtes Weißblech,
dachte Vin. Sie bückte sich, nahm dem bewusstlosen Soldaten unter ihr das Schwert ab, riss es aus der Scheide und sprang nach vorn. Entschlossen biss sie die Zähne zusammen. Die benommene Schan hob die Hand und versuchte, mit ihrer allomantischen Kraft gegen das Schwert zu drücken.
Vin ließ die Waffe los - sie war nur eine Ablenkung gewesen - und rammte Schan die zweite Hälfte des Pfeils ebenfalls in die Brust, knapp unterhalb des ersten Teils.
Diesmal brach Schan zusammen. Sie versuchte wieder aufzustehen, aber einer der Schäfte musste ihr Herz
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