Kinder Des Nebels
Seite.
Der Mann taumelte und hielt sich die blutende Flanke fest. Dann stolperte er und fiel in das Dachfenster. Das zarte, farbige Glas zerschmetterte, und mit ihren vom Zinn geschärften Ohren hörte Vin die Überraschungsrufe, gefolgt von einem dumpfen Laut, als der Schläger auf den Boden traf.
Vin hob den Blick und grinste die verblüffte Schan böse an. Hinter ihr fluchte der zweite Nebelgeborene - ein Mann - leise.
»Du ... du ...«, stotterte Schan. In ihren Augen flackerte der Zorn.
Jetzt bist du gewarnt, Elant,
dachte Vin.
Fliehe. Es ist Zeit für mich, von hier zu verschwinden.
Sie konnte nicht gegen zwei Nebelgeborene gleichzeitig kämpfen - in den meisten Nächten konnte sie ja nicht einmal Kelsier besiegen. Vin fachte ihren Stahl an und sprang nach hinten. Schan machte einen Schritt in ihre Richtung und setzte Vin mit entschlossenem Blick nach. Der zweite Nebelgeborene folgte ihr.
Verdammt!,
dachte Vin, wirbelte in der Luft herum und zog sich an den Rand des Daches in die Nähe der Stelle, wo sie das Rosettenfenster zerbrochen hatte. Darunter liefen Gestalten umher, und Laternen erhellten den Nebel. Vermutlich glaubte Graf Wager, dieser Aufruhr bedeute, dass sein Sohn tot war. Doch er sollte eine Überraschung erleben.
Vin sprang abermals in die Luft und die neblige Leere hinein. Sie hörte, wie die beiden Nebelgeborenen hinter ihr landeten und sich dann ebenfalls wieder abstießen.
Das ist nicht gut,
dachte Vin zitternd, als sie die dunstigen Luftströmungen durchdrang. Sie hatte keine Münzen mehr übrig und besaß auch keinen Dolch - und stand zwei voll ausgebildeten Nebelgeborenen gegenüber.
Sie verbrannte Eisen und suchte verzweifelt in der Nacht nach einem Anker. Eine blaue, langsam sich bewegende Linie erschien rechts unter ihr.
Vin zerrte an der Linie und veränderte dadurch ihre Flugbahn. Sie schoss auf die Erde zu; die Festung Wager erschien als schwarzer Schatten unter ihr. Ihr Anker war der Brustpanzer eines unglücklichen Soldaten, der auf der Festungsmauer lag und sich verzweifelt an einer Zinne festhielt, damit er nicht zu Vin gezerrt wurde.
Sie traf mit den Füßen voran auf den Mann, wirbelte in der neblichten Luft herum und landete auf dem kühlen Stein. Der Wächter brach zusammen, schrie auf und packte wieder die Zinne, als plötzlich eine zweite allomantische Kraft an ihm zerrte.
Tut mir leid, mein Freund,
dachte Vin und trat die Hand des Mannes von der Zinne los. Sofort schoss er nach oben, als wäre er von einem mächtigen Strick in die Luft gezogen worden.
Über ihr ertönte das Geräusch zweier zusammenprallender Körper, und Vin beobachtete, wie zwei Gestalten schlaff in den Hof der Festung Wager stürzten. Sie lächelte und schoss über die Verteidigungsmauer.
Ich hoffe, es war Schan.
Vin sprang hoch und landete auf dem Dach des Torhauses. In der Nähe der Festung zerstreuten sich die Gäste, kletterten in aller Eile in ihre Kutschen und flohen.
Und so beginnt der Krieg der Häuser,
dachte Vin.
Ich hätte nie gedacht, dass ich diejenige bin, die ihn offiziell eröffnet.
Eine Gestalt flog aus dem Nebel über ihr auf sie zu. Vin schrie auf, verbrannte noch mehr Weißblech und sprang zur Seite. Schan landete gewandt und mit wehendem Nebelmantel auf dem Torhaus. In jeder Hand hielt sie einen Dolch, und in ihren Augen flackerte die Wut.
Vin ließ sich vom Torhaus herunterrollen und landete auf dem Wehrgang der Mauer darunter. Einige Wächter wichen verängstigt zurück, als sie sahen, wie ein halbnacktes Mädchen mitten unter sie fiel. Schan kam auf der Mauer hinter ihnen an, drückte mit ihrer Kraft gegen einen der Wächter und schleuderte ihn auf Vin zu.
Der Mann brüllte entsetzt auf, als Vin nun gegen seinen Brustpanzer drückte, aber er war viel schwerer als sie, und so wurde sie nach hinten geschleudert. Sofort zog sie an dem Wächter und bremste damit ihren Flug, und der Mann brach auf dem Wehrgang zusammen. Vin landete geschmeidig neben ihm und packte seine Lanze, als ihm diese aus der Hand rollte.
Schan griff mit wirbelnden Dolchen an, und Vin musste ihr nach hinten ausweichen.
Sie ist so gut!,
dachte Vin erschüttert. Sie hatte kaum je den Einsatz von Dolchen geübt und wünschte sich nun, sie hätte Kelsier darum gebeten. Sie schwang die Lanze, aber eine solche Waffe hatte sie nie zuvor benutzt, und so war ihr Angriff eine Lächerlichkeit.
Schan traf sie, und während sie auswich, spürte sie einen flammenden Schmerz an der Wange. Entsetzt ließ sie
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