Kinder Des Nebels
getroffen haben, denn sie wurde ganz bleich. Einen Augenblick lang kämpfte sie noch, dann brach sie leblos auf dem Wehrgang zusammen.
Vin stand schwer atmend über ihr und wischte sich das Blut von der Wange, doch dabei bemerkte sie, dass ihr blutiger Arm das Gesicht nur noch mehr rötete. Hinter ihr riefen die Soldaten und legten weitere Pfeile ein.
Vin warf einen letzten Blick auf die Festung, wünschte Elant Lebewohl und stieß sich in die Nacht ab.
Andere Menschen machen sich Gedanken darüber, ob man sich später an sie erinnern wird. Ich habe diese Sorgen nicht, auch wenn ich die Prophezeiungen von Terris außer Acht lasse. Ich habe solches Chaos, solchen Streit und solche Hoffnung gebracht, dass man mich wohl kaum vergessen wird.
Aber ich mache mir Gedanken darüber, was man von mir halten wird. Die Historiker können aus der Vergangenheit machen, was sie wollen. Wird man sich in tausend Jahren an mich als einen Mann erinnern, der die Menschheit vor einer mächtigen bösen Kraft bewahrt hat? Oder wird man mich als einen Tyrannen ansehen, der in seiner Anmaßung versucht hat, aus sich selbst eine Legende zu machen?
Kapitel 31
I ch weiß nicht«, sagte Kelsier lächelnd und zuckte die Achseln. »Weher würde einen guten Minister für Gesundheitspflege abgeben.«
Die Gruppe kicherte, aber Weher rollte nur mit den Augen. »Ehrlich, ich habe keine Ahnung, warum
ich
immer die Zielscheibe für euren komischen Humor abgeben muss. Weshalb verspottet ihr andauernd die einzige würdevolle Person in eurer Mannschaft?«
»Weil deine Würde nun einmal dazu einlädt«, sagte Hamm und ahmte dabei Wehers Akzent nach.
»O bitte«, meinte Weher, während Spuki vor Lachen beinahe zusammenbrach. »Das ist kindisch. Wie du siehst, ist der Junge der Einzige, der deine Bemerkung lustig gefunden hat.
»Ich bin ein Soldat«, sagte Hamm und hob den Becher. »Deine klugen verbalen Angriffe wirken bei mir nicht, denn ich bin etwas schwer von Begriff.«
Kelsier kicherte und lehnte sich gegen den Schrank. Ein Nachteil der Nachtarbeit bestand darin, dass er die abendlichen Zusammenkünfte in Keulers Küche vermisste. Weher und Hamm fuhren mit ihren Hänseleien fort. Dox saß am Ende des Tisches über seinen Büchern und Berichten, während Spuki neben Hamm Platz genommen hatte und an dem Gespräch teilzunehmen versuchte. Keuler hockte in seiner Ecke, lächelte gelegentlich und genoss seine Fähigkeit, die besten bösen Blicke durch den Raum zu weifen.
»Ich sollte jetzt gehen, Meister Kelsier«, sagte Sazed, nachdem er einen Blick auf die Wanduhr geworfen hatte. »Herrin Vin wird wohl zum Aufbruch bereit sein.«
Kelsier nickte. »Ich selbst sollte mich ebenfalls auf den Weg machen. Ich muss noch ...«
Die Außentür der Küche wurde aufgerissen. Vins Umriss hob sich vor dem dunklen Nebel ab. Sie trug nichts als ihre Unterwäsche: ein dünnes weißes Hemd und eine kurze Hose. Beides war blutbeschmiert.
»Vin!«, rief Hamm entsetzt und sprang auf.
Auf ihrer Wange war eine lange, dünne Wunde, und sie hatte sich einen Verband um den Unterarm gewickelt. »Es geht mir gut«, sagte sie schwach.
»Was ist mit deinem Kleid passiert?«, wollte Docksohn sofort wissen.
»Meinst du das hier?«, fragte Vin entschuldigend und hielt eine zerfetzte, russfleckige blaue Stoffmasse hoch. »Es ... war mir im Weg. Verzeihung, Dox.«
»Beim Obersten Herrscher, Mädchen!«, sagte Weher. »Vergiss das Kleid. Was ist mit
dir
passiert?«
Vin schüttelte den Kopf und schloss die Tür. Spuki errötete heftig, als er ihre Erscheinung sah, und Sazed untersuchte sofort die Wunde an ihrer Wange.
»Ich glaube, ich habe etwas Schlimmes getan«, sagte Vin. »Ich ... ich habe Schan Elariel getötet.«
»Du hast
was
getan?«, fragte Kelsier, während Sazed leise seinen Unmut kundtat. Er beachtete die kleine Fleischwunde in Vins Gesicht nicht weiter und nahm den Verband um ihren Arm ab.
Vin zuckte unter Sazeds Händen leicht zusammen. »Sie war eine Nebelgeborene. Wir haben gekämpft. Ich habe gewonnen.«
Du hast eine voll ausgebildete Nebelgeborene getötet?,
dachte Kelsier entsetzt.
Du bist doch erst seit knapp acht Monaten in der Ausbildung!
»Meister Hammond«, bat Sazed, »würdet Ihr mir bitte meine Medizintasche holen?«
Hamm nickte und tat, wie ihm geheißen.
»Vielleicht sollte man ihr etwas zum Anziehen geben«, schlug Kelsier vor. »Ich glaube, der arme Spuki bekommt sonst noch einen Herzinfarkt.«
»Was ist damit nicht in Ordnung?«,
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