Kinder Des Nebels
fragte Vin und deutete auf ihre Kleidung. »Sie enthüllt nicht mehr als das, was ich als Diebin manchmal getragen habe.«
»Es ist Unterwäsche, Vin«, klärte Docksohn sie auf.
»Na und?«
»Es geht ums Prinzip«, sagte Docksohn. »Junge Damen laufen nicht in Unterwäsche herum, wie sehr sie auch normaler Kleidung gleichen mag.«
Vin zuckte die Achseln und setzte sich, während Sazed ihrem Arm eine neue Bandage anpasste. Sie schien völlig erschöpft zu sein, und zwar nicht nur vom Kampf.
Was ist sonst noch auf dem Ball passiert?
»Wo hast du gegen diese Elariel gekämpft?«, fragte Kelsier.
»Außerhalb der Festung Wager«, antwortete Vin und senkte den Blick. »Ich glaube, einige Wachen haben mich gesehen. Vielleicht auch ein paar Adlige, aber dessen bin ich mir nicht sicher.«
»Das wird Schwierigkeiten geben«, seufzte Docksohn. »Diese Wunde an der Wange ist ziemlich deutlich sichtbar, auch wenn man Schminke aufträgt. Macht ihr Allomanten euch denn nie Gedanken, wie ihr am Tag nach euren Kämpfen ausseht?«
»Ich habe mir eher Gedanken darum gemacht, wie ich den Kampf überleben kann, Dox«, erwiderte Vin.
»Er beklagt sich nur, weil er sich Sorgen um dich macht«, erklärte Kelsier, als Hamm mit der Tasche zurückkehrte.
»Beide Wunden müssen sofort genäht werden, Herrin«, sagte Sazed. »Ich glaube, das Messer hat Euren Armknochen getroffen.«
Vin nickte, und Sazed rieb ihr den Arm mit einem Betäubungsmittel ein; dann machte er sich an die Arbeit. Sie ertrug seine Mühen ohne große sichtbare Schmerzen, aber sicherlich verbrannte sie gerade Weißblech.
Sie sieht ungeheuer müde aus,
dachte Kelsier. Sie wirkte so zerbrechlich, fast als bestünde sie nur aus Armen und Beinen. Hammond legte ihr einen Mantel um die Schultern, aber sie schien so matt zu sein, dass sie es kaum bemerkte.
Und ich habe sie in diese Lage gebracht.
Natürlich hätte sie sich nicht in solche Schwierigkeiten stürzen dürfen. Schließlich hatte Sazed die Armwunde gut vernäht und legte die neue Bandage an. Dann wandte er sich ihrer Wange zu.
»Warum hast du gegen eine Nebelgeborene gekämpft?«, fragte Kelsier ernst. »Du hättest weglaufen müssen. Hast du aus deinem Kampf mit dem Inquisitor denn nichts gelernt?«
»Ich hätte nicht weglaufen können, ohne ihr den Rücken zuzuwenden«, verteidigte sich Vin. »Außerdem hatte sie mehr Atium als ich. Wenn ich sie nicht angegriffen hätte, dann hätte sie mich zur Strecke gebracht. Ich musste zuschlagen, solange unsere Kräfte noch gleich groß waren.«
»Wie bist du überhaupt in diesen Kampf hineingeraten?«, wolle Kelsier wissen. »Hat sie dich angegriffen?«
Vin betrachtete ihre Füße. »Ich habe zuerst angegriffen.«
»Warum?«, fragte Kelsier.
Vin saß schweigend da, während Sazed ihre Wange verarztete. »Sie wollte Elant umbringen«, sagte sie schließlich.
Kelsier stieß entsetzt die Luft aus. »Elant Wager? Du hast dein Leben aufs Spiel gesetzt - und auch den Plan und damit unser aller Leben -, nur um diesem Narren zu helfen?«
Vin hob den Blick wieder und sah ihn wütend an. »Ja.«
»Was ist los mit dir, Mädchen?«, fragte Kelsier. »Elant Wager war das nicht wert.«
Zornig stand sie auf. Sazed wich von ihr zurück; der Mantel rutschte von ihren Schultern und sank zu Boden. »Er ist ein guter Mensch!«
»Er ist ein Adliger!«
»Das bist du auch!«,
fuhr Vin ihn an. Sie zeigte zuerst auf die Mannschaft und dann auf die Küche. »Was ist das hier wohl deiner Meinung nach, Kelsier? Das Leben eines Skaa? Was wisst ihr denn schon über die Skaa? Elegante Anzüge, nächtliches Anschleichen an den Feind, gutes Essen und ein Absacker unter Freunden am Esstisch? Das ist nicht das Leben eines Skaa!«
Sie machte einen Schritt nach vorn und sah Kelsier dabei finster an. Er blinzelte vor Erstaunen über diesen Gefühlsausbruch.
»Was weißt du schon über sie, Kelsier?«, fragte sie. »Wann hast du zum letzten Mal in einer Gasse geschlafen, im kalten Regen gezittert und zugehört, wie der Bettler neben dir an einem Husten leidet, der ihn umbringen wird? Wann hast du zum letzten Mal in der Nacht wach gelegen und Angst gehabt, ein Mitglied deiner Mannschaft könne dir etwas antun? Ist dir je der Gedanke gekommen, den Gefährten neben dir zu erstechen, damit du sein Brot haben kannst? Hast du je vor deinem Bruder gekniet, während er dich schlägt, und bist die ganze Zeit über dankbar dafür gewesen, weil du
wenigstens jemanden hast, der dir seine
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