Kinder des Sturms
blickte statt in Richtung Himmel lieber auf ihren Begleiter. Es war, als hätte er urplötzlich seinen Schutzschild sinken lassen, und hinter der Fassade des rauen, weltgewandten Unternehmers entdeckte sie einen überraschend weichen Kern. Es war geradezu rührend, welch unverfälschte Freude er angesichts des hübschen Schauspiels aus Nässe und aus Licht zu empfinden schien.
Als er sie plötzlich grinsend ansah, gab sie dem Verlangen nach, beugte sich zu ihm hinüber, umfasste sein Gesicht mit beiden Händen und gab ihm einen spontanen, federleichten, freundschaftlichen Kuss.
»Das bringt angeblich Glück«, erklärte sie. »Es gibt irgendein
Sprichwort, in dem geht es um Regenbogen, um Küsse und um Glück.«
»Und falls es das nicht gäbe, müsste man es umgehend erfinden. Wollen wir mal sehen, wohin sie uns führen – die Regenbogen«, meinte er, als sie die Brauen hochzog. »Wohin die Küsse uns am Ende führen, kann ich mir in etwa denken, und was das Glück betrifft, so wurde ich in letzter Zeit regelrecht von ihm verfolgt.«
Er bog in eine schmale, schlecht markierte Straße ein. Fort von der Küste und immer noch fern des Gebirges, erstreckte sich vor ihnen ein scheinbar unendliches hügeliges, feucht glitzerndes Grün. Die Felder wurden durch Reihen grauer Steinmauern getrennt, die bei aller Funktionalität den wilden Liebreiz der Umgebung noch verstärkten. Er entdeckte ein Cottage ähnlich dem, in dem er augenblicklich lebte, mit cremefarbenen Mauern und einem reetgedeckten Dach. Eine kleine Herde weißer Schafe wanderte gemächlich über die ausgedehnten Weiden, und wie zur Komplettierung dieser Postkartenidylle wurde der blassblaue Himmel immer noch von den drei schillernden Regenbogen überspannt.
Trevor öffnete das Dach des Wagens und lachte, als Darcy leise fluchte, weil sich das Wasser, das sich auf dem Glas gesammelt hatte, über ihr ergoss. Das kühle Nass roch frisch und herrlich sauber und verstärkte noch den sinnlich süßen Duft ihrer sommerwarmen Haut.
Dann, als die Straße weiter anstieg, ragten plötzlich düster, grau und drohend die Überreste einer alten Festung in dem fahlen Himmel auf. Es standen nur noch drei Mauern des alten Gebäudes, die vierte war verfallen. Doch das, was noch zu sehen war, stak beinahe trotzig wie ein Mahnmal des für die alten Mächte und die alten Visionen vergossenen Blutes aus den grünen Feldern in die Luft.
Er lenkte den Wagen an den Straßenrand und brachte ihn zum Stehen. »Sehen wir uns das Ding doch mal genauer an.«
»Was? Trevor, das ist doch nichts weiter als eine Ruine. Diese Dinger können Sie an beinahe jeder Straßenecke sehen. Es gibt viel besser erhaltene Gebäude, falls Sie sich für so was interessieren. Zum Beispiel die Kapelle oder die alte Kathedrale direkt bei uns in Ardmore.«
»Aber hier steht nun mal diese Ruine, und auch wir sind nun einmal hier.« Er beugte sich über sie, um ihr die Tür zu öffnen. »Genau diese Dinge sind es, derentwegen die Leute in diese Gegend kommen.«
»Diejenigen, die nicht vernünftig genug sind, um irgendwo Urlaub zu machen, wo es einen netten Pool und eine Ansammlung von Fünf-Sterne-Restaurants gibt.« Murrend stieg sie aus, setzte sich jedoch mit einem Seufzer langsam in Bewegung. »Das ist nur eine der zahllosen verfallenen Festungen und Burgen, die von den Anhängern Cromwells geplündert worden sind – Plündern und Brandschatzen scheinen die Lieblingsbeschäftigungen dieser Kerle gewesen zu sein.«
Das Gras war feucht, weshalb sie froh war, dass sie ihre Stiefel trug. Trotzdem achtete sie, da sie wusste, was Schafe und Kühe auf den Feldern taten, darauf, wohin sie trat.
»Kein Schild, kein Wegweiser, nichts. Das Ding steht einfach da.«
Darcy neigte den Kopf zur Seite und kam zu dem Schluss, dass es produktiver wäre, amüsiert statt verärgert zu sein. »Und was sollte es Ihrer Meinung nach sonst tun?«
Er legte eine Hand gegen die Steine und blickte an der Mauer empor. »Ich frage mich, wie viele Männer man gebraucht hat, um ein solches Gebäude zu errichten. Wie lange es gedauert hat, bis es fertig war. Von wem und warum der Bau überhaupt angeordnet wurde. Sicher zum Zweck des Schutzes und der Verteidigung.«
Er betrat die Ruine, und ihm zu Gefallen folgte Darcy nach.
Zwischen den herabgestürzten Steinen wuchs hohes, wildes, hartes Gras, und die den Elementen schutzlos ausgelieferten
Mauern waren nass vom Regen. Die Augen des Bauunternehmers sahen sofort, wo die
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