Kinder des Sturms
Eingehüllt in die romantischen Klänge klassischer Musik, die aus der Stereoanlage drangen, lehnte sie sich zurück, streckte ihre Beine aus – und entdeckte plötzlich neben sich eine längliche, schmale Schachtel.
Sie war in Goldpapier gehüllt und mit Silberfaden zugebunden. Darcy schnappte sich das Kästchen, fuhr zusammen und blickte in Richtung des Chauffeurs. Eine Frau von Welt wäre auf ein Geschenk wohl kaum derart versessen. Für sie wären Präsente so normal, dass sie sie beinahe langweilten.
Kichernd öffnete sie den kleinen beigefügten Umschlag.
Willkommen in London, Trev.
»Er kennt auch wirklich alle Schliche«, sagte sie leise zu sich selbst. »Nun, umso besser für mich.« Sie vergewisserte sich nochmals, dass der Fahrer nicht in ihre Richtung blickte, und riss das Klebeband mit ihrem Fingernagel auf. Schließlich sollte das hübsche Papier möglichst unversehrt bleiben. Voll freudiger Erwartung löste sie erst das Band und dann die Verpackung,
faltete sie sorgfältig in ihrem Schoß zusammen, atmete tief ein, nahm die Samtschatulle in die Hand und klappte sie vorsichtig auf.
»Oh, Mutter Gottes«, brach es aus ihr heraus. Der Chauffeur und alle Weltgewandtheit waren für den Augenblick vergessen. Sie konnte an nichts mehr denken als an das wunderbare Glitzern, das ihre Augen traf.
Sie rang nach Luft, hielt das Armband in die Höhe und ließ die schimmernden Steine wie Wasser über ihre Finger rinnen. Es war ein schlankes Stück und hätte vielleicht zart gewirkt, hätte es nicht derart gefunkelt. Smaragde, Rubine und Saphire waren wechselweise mit Diamanten – strahlend wie das Licht der Sonne – in einen schmalen Goldreif eingebettet.
Nie in ihrem Leben hatte sie etwas so Schönes, Feines, geradezu idiotisch Teures in der Hand gehabt. Sie sollte es nicht annehmen. Sie würde es nur einmal kurz anlegen, um zu schauen, wie es aussah, um zu spüren, wie es sich anfühlte.
Es sah fantastisch aus und fühlte sich noch besser an.
Sie drehte ihre Hand, sah, wie das Schmuckstück blitzte, spürte das beinahe flüssige Gold auf ihrer nackten Haut und kam zu der Einsicht, dass sie sich eher die Hand abhacken würde, als das Armband je zurückzugeben.
Ihr Gewissen würde sich einfach damit arrangieren müssen.
Sie verbrachte so viel Zeit mit dem Bewundern ihres Armbands, dass sie die Aufregung darüber, in einer Limousine quer durch London chauffiert zu werden, beinahe vergaß. Als sie sich darauf besann, hätte sie am liebsten das Fenster aufgerissen, sich weit hinausgebeugt und alles auf einmal in sich aufgesogen.
Was sollte sie sich als Erstes ansehen, was sollte sie als Erstes tun? Es war so furchtbar viel, was sie in den zwei kurzen Tagen unternehmen wollte. Am besten wäre es, sie packte
möglichst eilig aus und stürzte sich dann umgehend ins allgemeine Treiben.
Während sie London an sich vorübergleiten sah, legte sie in Gedanken ihren Tagesablauf fest. Als die Limousine plötzlich anhielt, suchte sie stirnrunzelnd nach dem Hotel.
Oh, fiel es ihr plötzlich ein. Trevor hatte statt von einem Hotel von einem Haus gesprochen. Der Mann lebte beinahe fünftausend Kilometer weit weg in New York City und hatte zugleich ein eigenes Haus in London.
Nähmen die Überraschungen wohl jemals ein Ende?
Sie riss sich zusammen und ergriff die Hand des Fahrers, als er um den Wagen herumkam und ihr die Tür aufhielt.
»Ich werde Ihr Gepäck sofort hineinbringen, Miss Gallagher.«
»Vielen Dank.« In der Hoffnung auszusehen, als wüsste sie genauestens, was sie tat, stieg sie gemessenen Schrittes die wenigen Stufen zwischen den sorgfältig gestutzten Hecken in Richtung der Eingangstür hinauf.
Ehe sie entschieden hatte, ob sie besser klopfte oder einfach hineinging, wurde ihr bereits geöffnet, und ein hoch gewachsener, schlanker, weißhaariger Mann verbeugte sich vor ihr. »Miss Gallagher. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise. Ich bin Stiles, Mr. Magees Butler. Wir freuen uns, Sie hier begrüßen zu dürfen.«
»Danke.« Sie streckte die Hand aus, zog sie dann jedoch zurück. Wahrscheinlich wahrte man zu britischen Butlern eher höfliche Distanz.
»Würden Sie gern als Erstes Ihr Zimmer sehen, oder dürfen wir Ihnen eine Erfrischung anbieten?«
»Ah, wenn es recht ist, würde ich lieber erst das Zimmer anschauen.«
»Selbstverständlich. Ich kümmere mich um Ihr Gepäck. Winthrup wird Sie nach oben führen.«
Winthrup, eine klein gewachsene Dame in derselben förmlich
schwarzen
Weitere Kostenlose Bücher