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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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Kraft und Dauer auszuhalten. Es wurde nach Europa zurückgetrieben. Aus dem Unterricht, den ihr Vater ihnen erteilt hatte, besaßen Tauno und Eyjan genug geographisches Wissen, um zu erkennen, daß Vanimen ins Mittelmeer eingefahren war. Von der Stelle, wo seine Reise endete, wußten sie nichts, aber Panigpak nannte ihnen Namen – die Insel Zlarin, das Festland von Dalmatien – , über die sie später Nachforschungen anstellen konnten. Anscheinend war das Seevolk dort angegriffen worden und zu Fuß geflohen.
    Was nun folgte, war verwirrend und beängstigend. Diejenigen, die noch am Leben waren, mußten in der Umgebung geblieben sein, denn sie erschienen immer noch am Meeresufer: einzeln oder zu wenigen auf einmal und nur für kurze Zeit. Ansonsten sah Sedna nichts mehr von ihnen. Und irgend etwas hatte sie verändert, sie waren anders als früher, auf eine Weise, von der sie nicht sprechen konnte, die aber sie, die Mutter der Meere, mit bösen Vorahnungen erfüllte.
    Taunos Gesicht war finster. »Schlimm ist das«, meinte er.
    »Vielleicht nicht«, erwiderte Eyjan. »Vielleicht haben sie einen Zauber entdeckt, der ihnen ein neues Leben auf dem Land ermöglicht.«
    »Wir müssen sie finden und es in Erfahrung bringen. Dafür brauchen wir die Hilfe von Menschen.«
    »Aye. Nun, wir wollen ja sowieso nach Dänemark. Yrias wegen.«
    Panigpak betrachtete die Geschwister mit Augen, die eine Lebensspanne voll Leid gesehen hatten. »Vielleicht«, sprach er leise, »kann euch jemand ein wenig Hilfe anderer Art geben.«
     
    In einer ruhigen Nacht füllten die Sterne die Jettschale des Himmels so dicht, bis sie beinahe hinter ihnen verborgen war. Nur das silberne Band, das sich darüber hinzog, war noch zu sehen. Bei diesem Licht, vom Schnee zurückgeworfen, konnte Bengta Haakonstochter, die jetzt Atitak war, leicht einen Abhang über dem Tal entlangwandern. Atem wehte weiß, als sie sprach, doch an dem Wolfsfell ihrer Parka-Kapuze setzte er sich nicht als Reif ab. Schritte knirschten; dann brach ihre Stimme die Stille.
    »Mußt du so bald schon aufbrechen? Wir wären glücklich, euch hei uns zu behalten – und das nicht, weil ihr uns solche Mengen an Fischen und Seehunden bringt, sondern um eurer selbst wegen.
    Tauno, der an ihrer Seite ging, seufzte: »Wir haben Verwandte in weiter Ferne, die in bitterer Not sein mögen und die uns fehlen. Auch mit den uns versprochenen Kajaks – mit ihnen werden wir bestimmt schneller vorankommen als schwimmend – wird die Reise Wochen und Wochen dauern. Denke daran, daß wir unterwegs jagen und schlafen und oft gegen ungünstige Winde ankämpfen müssen. Wir haben uns nach der Sache mit dem Tupilak gut ausgeruht. Um die Wahrheit zu sagen, wir haben uns hier länger aufgehalten, als nötig war. Bald werden die Inuit wieder auf Wanderschaft gehen. Schließen wir ons ihnen an, können wir kaum vor dem Frühling nach Hause zurückkehren.«
    Die Frau streifte seine sternenbeschienene Nacktheit mit einem Blick, nahm seine Hand in ihren Handschuh und wagte die Frage: »Warum bist du dann überhaupt geblieben? Eyjan ist ruhelos, das weiß ich. Du warst es, der geraten hat, noch zu warten.«
    Er blieb stehen, sie auch. Er wandte ihr das Gesicht zu, faßte in die Kapuze, streichelte ihre Wange und antwortete: »Deinetwegen, Bengta.«
    Er hatte als Teil von Miniks Haushalt gelebt, und Minik hatte sie ihm gern geliehen. Sie hatten sich nur dann getrennt, wenn sie stillschweigend übereingekommen waren, daß Bengta wieder einmal eine Nacht mit ihrem Mann und Tauno mit der ersten Frau Kuyapikasit verbringen solle, um niemandes Gefühle zu verletzen. (Eyjan verhielt sich nicht wie eine Frau, sondern wie ein Jäger, der nach Lust und Laune von Familie zu Familie wechselte. Sie hatte jeden Mann im Lager genossen.)
    Bengta stand ganz still. Er konnte sie kaum hören: »Ja, es war wundervoll. Wenn du gehen mußt, wirst du dann später zurückkommen?« Er schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, nein.«
    Sie ließ den Kopf hängen. »Dein Wassermannherz ...« Sie sah wieder hoch. »Aber was an mir hat dich gehalten? Daß ich einer Frau deiner Rasse ähnlicher bin als jede Inuk? Europa ist doch voll von weißen Frauen.«
    »Es gibt wenige so schöne, Bengta.«
    »Ich glaube, ich kenne den Grund«, begann sie, »obwohl du ihn vielleicht selbst nicht kennst ...« und brach ab.
    »Was?«
    Sie biß sich auf die Lippe. »Nichts. Ich habe mich versprochen.« Sie machte sich auf den Weg bergab. »Komm, gehen wir

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