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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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geschehen, kann der gefangene Geist das Amulett wieder verlassen und in den eingehen, der es trägt, wenn diese Person es wünscht. Aber wer möchte schon zur Hälfte ein Fremder werden?«
    Tauno schloß hastig die Hand um das Ding.
    Eyjans Finger bogen seine zurück. Sie hing es sich auf die Weise um den Hals, die Panigpak ihnen geraten hatte. »Ich danke dir«, sagte sie mit etwas schwankender Stimme.
    »Es ist nichts«, antwortete er. »Es ist nur das, was ein alter Dummkopf anbieten kann.«
    Als noch ein paar Worte gewechselt und die letzten Umarmungen ausgetauscht waren, nahmen die Kinder des Wassermanns ihre Kajaks auf und wanderten davon. Das Eis brach unter ihnen, und auf die freie Stelle ließen sie ihre Boote hinab. Sie stiegen ein, banden ihre Mäntel fest, lösten die Paddel. Winkend und rufend schossen sie südwärts davon. Die Inuit und Bengta blickten ihnen nach, bis nichts mehr von ihnen zu sehen war.
     

2
    Auf dem Heimweg traf Tauno eine Schar Grönland-Wale, die die Stirn der Welt umrundeten, und hörte ihr Wanderlied. Das war nur wenigen Meerleuten je zuteil geworden, denn diese Herren der großen Wasser kamen selten in die Nähe des Landes – und wenn einer sie aufgesucht hätte, was hätte er dann zu ihnen in ihrer Majestät sagen sollen?
    Tauno war auf der Jagd. Eyjan war anderswo und hatte seinen versiegelten Kajak ins Schlepptau genommen. Das taten sie abwechselnd, damit ein unbemanntes Fahrzeug nicht abtrieb und verlorenging. Wenn sie die verkrampften Glieder durch fröhliches Tollen in den Wellen lockerten, achteten sie darauf, in der Nähe zu bleiben; wenn sie in den Kajaks schliefen, banden sie die Boote und sich aneinander. Es war mühsam, und sicher hätten sie gemeinsam besser jagen können, aber im großen und ganzen reisten sie schneller und bequemer, als wenn sie geschwommen wären.
    Er war in der Hoffnung auf einen großen Fisch getaucht. Kleinere lohnten die Mühe, sie zu töten, kaum, dazu brauchten ihre Körper für Wärme und Arbeit zuviel Brennstoff. Deshalb erreichte ihn der Klang leichter als durch die Luft, und er nahm ihn mit Sehnen, Blut und Knochen ebenso wie mit den Ohren auf. Durch das kalte, flutende Graugrün kam ein Pulsieren. Schwach zuerst, doch Tauno steuerte in seine Richtung. Als er erkannt hatte, was es war, setzte er den Weg fort, denn das Vorüberziehen der Wale würde viele Wesen aufstören, und er konnte unter ihnen Beute finden. Dann begannen die Wale zu singen.
    Beinahe hilflos schwamm Tauno dahin, Meile um Meile weiter, als es seine Absicht gewesen war, bis er sie endlich sah – ihre Rücken, die sich wie Schären erhoben, ihre Bäuche und die nach unten gerichteten, gewaltigen Mäuler, jede Flosse größer als ein Mann, Schwänze, die Dünungen und Strudel erzeugten, als sie stetig dahinzogen, Gestalten, größer als die meisten Schiffe. Der langsame Donner dieser hundertfältigen Bewegung stellte einen Teil der Musik dar, die dröhnte und trillerte, nach unten und nach oben in Bereiche stieg, die keine menschliches Ohr hätte aufnehmen können. Der Gesang ergriff Tauno von innen, machte aus ihm ein Gefäß für sich selbst, für seine Macht und sein Mysterium.
    Er kannte wenig von der Sprache, und Eyjan hatte das Amulett. Von der Rasse seines Vaters war keiner viel klüger, weil diese Sprache auch nicht die entfernteste Ähnlichkeit mit irgendeiner hatte, die die Menschen oder das Feenvolk benutzten. Die Laute stellten keine Wörter dar, sondern Strukturen oder Ereignisse, jeder einzelne so voll von Bedeutungen – und keine davon genau zu umschreiben – wie eine ganze Bibliothek oder der Rückblick auf ein Leben, wenn der Tod naht. Taunos Verstand trug ein doppeltes Erbe in sich, und er war ein Poet. Später dichtete er eine Nachschöpfung von einem Fragment, das er gehört hatte. Aber er erkannte voller Sehnsucht, daß das, was er dann hatte, nur eine Scherbe war, durch Zufall abgesplittert von einem Ganzen, auf dessen Form und Inhalt es nicht einmal einen Hinweis gab.
     
    Leitbulle:
Alles Leben kommt aus den Gezeiten.
    Sie folgen dem Mond, der im leeren Raum
    Umkreist diese Welt und auf seiner Bahn
    Die Meere faßt und zu sich emporzieht.
    Mehr Kraft hat der Mond als die ferne Sonne ...
    Die Sonne, der Mond und die Erde, sie tanzen
    Durch endlose Tiefen und Sternenstrudel.
    Alte Kühe:
Ja, sie kreisen, sie kreisen
    Wie die bleibenden Gedanken
    An ein Kalb, das starb,
    Als seine Mutter
    Es nicht entwöhnte
    Und von ihrer Seite
    Nicht schwimmen

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