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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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zurück, suchen wir unsere Lagerstatt auf.«
    Der Schnee kreischte unter ihren gleitenden Füßen. »Was hast du gemeint?« fragte er rauh.
    »Nichts, nichts!«
    Er faßte ihren Ellenbogen. Durch Pelz und Leder fühlte sie diesen Griff und zuckte zusammen. »Sag es mir.« Seine Lippen zogen sich zurück, daß die Zähne im Sternenlicht schimmerten.
    »Ich dachte«, platzte sie heraus, »ich dachte, daß ich die Frau bin, die Eyjan am nächsten kommt ... und es wird eine lange Reise werden, auf der du niemanden hast als sie ... Vergib mir, Tauno, Geliebter! Natürlich habe ich mich getäuscht.«
    Sein Gesicht wurde ausdruckslos, seine Stimme flach. »Dabei gibt es nichts zu verzeihen. Wie können deine Phantasien ein Wesen beleidigen, das keine Seele hat?«
    Plötzlich blieb er wieder stehen, zog sie an sich, lächelte und küßte sie mit größter Zärtlichkeit.
    Auf den Fellen ihrer Lagerstatt, im Dunkel der Hütte flüsterte sie: »Möge der Samen in meinem Leib deiner sein. Es könnte sein; ich habe nachgerechnet. Minik ist ein lieber Mann, und ich möchte auch von ihm Kinder. Aber mögen mir seine Götter eine Erinnerung an meinen Tauno schenken.«
     
    Der Tag war ein Flüchtling geworden, der sich kaum blicken ließ, bevor die Dunkelheit ihn wieder verjagte. Feenaugen konnten auch in der Nacht sehen, aber die Geschwister brachen unter der Sonne auf, weil die Inuit ihnen dann besser Lebewohl sagen konnten.
    Die ganze Schar war da und so weit aufs Eis hinausgekommen, als es sicher zu sein schien. Hinter ihnen war das Land weiß, außer dort, wo ein Felsen oder eine Klippe sich erhob. Vor ihnen erstreckte sich die See, gräulich, kabbelig, lärmend. Niedrige Wolken zogen vor einem stechenden Wind dahin.
    Panigpak löste sich aus der Versammlung und ging dahin, wo Broder und Schwester warteten. In der Hand hielt er eine Knochenscheibe, leicht nach innen gebogen. An ihrem Rand war ein Loch, durch das eine Schlinge aus Seehundshaut gezogen war. Sie hatte vielleicht anderthalb Zoll Durchmesser.
    »Sehr habt ihr uns geholfen«, erklärte er. »Tauno vernichtete den Tupilak, den die Dummheit dieser Person erzeugt hatte. So errang er die Verehrung unserer Feinde, und wir haben Frieden. Eyjan ...« – er schüttelte den grauen Kopf, lachte, zwinkerte heftig – »... Eyjan, wenn ich zu alt geworden bin, um noch von Nutzen zu sein, und fortgehe, um allein auf dem Eis zu sitzen, wird die Erinnerung an dich mich wärmen.«
    »Oh, ihr habt alles, was wir getan haben mögen, überreichlich vergolten«, sagte Tauno, während seine Schwester mit ihren Lippen die Stirn des Angakoks streifte. Sie hatte ihrem Bruder erzählt, er sei nicht stark, aber süß.
    »Unter Freunden rechnet man nicht nach«, meinte Panigpak. Wenn er jemals mit den Norwegern hätte verhandeln müssen, dann hätte er nicht gewußt, was zu sagen. »Jemand möchte euch gern ein Abschiedsgeschenk machen.«
    Er reichte Tauno die Scheibe, und dieser nahm sie in seine Handfläche und betrachtete sie. Zeichen waren in ihrer Höhlung eingeritzt und geschwärzt, damit sie sich von dem gelblichen Weiß abhoben: Ein Vogel mit dunklem Kopf und gebogenem Schnabel, der an einem zunehmenden Mond vorbeiflog. Ein unheimliches Gefühl überlief ihn. In seinem Inneren empfand er die kühle Berührung eines Zaubers.
    »Ihr werdet fremde Länder aufsuchen«, sagte Panigpak. »Ihre Bewohner verständigen sich vielleicht in Sprachen, die euch unbekannt sind. Wer immer dieses Amulett trägt, wird verstehen, was er hört, und kann in derselben Sprache antworten.«
    Eyjan berührte die Scheibe mit den Fingerspitzen. »Mit solchen Dingen ist immer Vorsicht geboten«, murmelte sie. »Euer Zauber gleicht nicht dem unsrigen. Was müssen wir darüber wissen?«
    »Es ist tiefgehende Magie«, antwortete der Angakok ebenso leise. »Sie zu bewerkstelligen, hat die armseligen Kräfte jemandes bis zum äußersten erschöpft. Ich mußte damit beginnen, den Grabhügel meines Vaters zu öffnen und ein Stück von seinem Schädel zu entnehmen – oh, er ist nicht zornig; er empfindet unter den Schatten ein undeutliches Vergnügen darüber, daß er helfen konnte ...
    Das Amulett verbindet Geist mit Geist. Hütet euch davor, lange auf das Siegel zu blicken – ja, tragt es am besten unter der Kleidung oder mit der leeren Seite nach außen – , denn eine Seele kann hineingezogen werden, wenn sich in ihr der Wunsch regt, die Welt zu verlassen, und das ist der Tod.« Er machte eine Pause. »Sollte dies

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