Kinder des Wassermanns
er zog sich zurück. Aber sie waren von seiner Art, ihm ähnlicher als Agnete, die letzten Endes erkannt hatte, daß sie der Halbwelt nie richtig angehören konnte.
Ein paar Stellen waren durch Exorzismus unzugänglich gemacht worden. Was an Fragezauber in seiner Macht lag, wandte er an, und so erfuhr er, daß dies meistenteils in den letzten Jahren geschehen war.
Ein neuer Glaube schien unter den Menschen aufgetaucht zu sein, oder vielmehr eine neue Sekte – denn er bemerkte nirgendwo etwas anderes als das Kreuz – , und dieser lehnte die lässigere Art der früheren Christen ab. Öfter noch stellte Vanimen fest, daß es einfach zuviel Ackerbau oder eine aufblühende Stadt gab, die allein durch ihr Vorhanden sein die Gründung einer Kolonie unmöglich machte. Nun ja, die Delphine hatten ihm gesagt, er müsse weiter nördlich suchen.
Als er dies tat, kamen sie allmählich zu der Vielzahl von Inseln, von denen die Delphine gesprochen hatten. Keine war von den Priestern mit ewigen Flüchen belegt worden. Der Glaube, der voller Haß gegen alles zu Felde zog, was nach Lebensfreude schmeckte, konnte noch nicht bis hierher vorgedrungen sein. Denn so hatte Vanimen es sich zurechtgelegt: Der eigentliche Grund, warum das Feenvolk, das nur zu gern Freundschaft mit den Menschen geschlossen hätte, von diesen verfolgt wurde, war, daß es Freude am Leben hatte, auch wenn es dadurch der Seele verlustig ging. Irgendwo in dieser Gegend, so wagte er zu hoffen, lag das Ziel seiner Träume.
Sein Verstand setzte hinzu: Es wird auch höchste Zeit! Der Hulk fiel nämlich unter ihm in Stücke. Die Pumpen konnten das Wasser nicht mehr zurückhalten. Das Schiff sank täglich tiefer, war immer schwerer zu manövrieren, wollte sich von keinem Wind mehr vorantreiben lassen. Bald würde es ganz und gar nutzlos geworden sein. Doch dann konnte sich seine Schar ohne Hilfe auf die Suche machen ...
So war der Stand der Dinge, als die Sklavenjäger das Schiff entdeckten.
Es war ein Tag, an dem die Fischer zu Hause und die Kaufleute an den Landungsplätzen blieben. Immer stärkere Böen pfiffen von Westen heran, trieben weiße Schaumkronen auf dem Wasser und Regenschauer am grauen Himmel vor sich her. Vanimen versuchte, vom Lee-Ufer Abstand zu halten, mußte jedoch bald einsehen, daß das nicht möglich war. Zwei Meilen aufrührerischen Meers voraus lag eine große Insel dicht vor dem Festland. Er schätzte, daß ihm die Einfahrt in den dazwischen liegenden Kanal gelingen würde. Dort waren sie geschützt. Hausdächer waren ein warnendes Zeichen, daß dort Menschen wohnten, aber es ließ sich nicht ändern, und viele waren es nicht.
Vanimen stellte sich auf das Achterdeck, wo er Ausschau halten und der Mannschaft, die sich inzwischen ein wenig Geschicklichkeit erworben hatte, Befehle zurufen konnte. Die Männer, alle nackt, führten verschiedene Arbeiten durch oder warteten auf neue Aufgaben. Viel größer war die Zahl der Frauen und Kinder, die er nach unten geschickt hatte, damit sie nicht im Weg waren. Es stand ihnen frei, sich den Schwimmern anzuschließen, und ein paar hatten es auch getan. Aber die meisten Mütter fürchteten, daß Gegen- und Unterströmungen ihnen die Kleinen zwischen den Felsen dieser unbekannten Küstengewässer von der Seite reißen könnten.
Ein anderes Schiff tauchte am verschwimmenden Horizont auf, während das Seevolk seine Vorbereitungen traf. Es war eine Galeere, schlank, rot und schwarz gestrichen. Das Segel war eingerollt; sie wurde durch Ruder wie Spinnenbeine bewegt. Die Galionsfigur glänzte golden durch die Gischt, ein geflügelter Löwe. Daraus und aus dem Kurs erriet Vanimen, so wenig Informationen er über diesen Gegenstand hatte, daß es ein venetianisches Schiff auf dem Weg nach Hause war. Nachdenklich zog er die Stirn in Falten. Es war kein Frachtschiff – und wäre das der Fall gewesen, dann wäre es in einem Geleitzug gefahren – , aber für ein Kriegsschiff sah es zu geräumig aus.
Er riß sich aus seinen Gedanken und wandte seine Aufmerksamkeit der Rettung seines eigenen Fahrzeugs zu. Für die Befehle, die er dem Mann am Ruder und den Leuten auf Deck zu erteilen hatte, brauchte er Erfahrung und Verstand und ebenso ein angeborenes Gefühl für die Elemente. Deshalb achtete er in der nächsten Stunde kaum auf das fremde Schiff ... bis Meiiva, die am Bug Wache gehabt hatte, nach achtern zu ihm kam.
Sie zog ihn am Ellenbogen, zeigte mit dem Finger und rief aufgeregt: »Sieh mal dorthin, ja?
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