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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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Irgend etwas Schreckliches mußte zwischen ihnen und Vestri Bygd geschehen sein. Und doch ...
    Eyjan bemerkte es zuerst. »Tauno!« rief sie. »Sie haben eine weiße Frau bei sich!«
    Er hatte zu sehr auf die Harpunen geachtet, um sich das Boot, das sich näherte, genauer anzusehen. Nun sah er, daß etwa in der Mitte eine Frau kniete, die größer war als die anderen. Sie starrte so ausdruckslos ins Weite wie ihre Gefährtinnen. Über einer zurückgeworfenen Parka-Kapuze schimmerten ihre Flechten golden.
    Die Kinder des Wassermanns kletterten vorsichtig, damit sie das Boot nicht zum Kentern brachten, an Bord, und noch vorsichtiger hockten sie sich am Bug nieder, bereit, jederzeit wieder aufzuspringen. Die Inuit waren auf der Vogeljagd gewesen; das Boot war mit Alks vollgepackt und blutig. Tauno und Eyjan richteten ihre Aufmerksamkeit auf den einzigen Mann, der im Heck saß, grau, verrunzelt, raffzähnig. Er vollführte Gesten gegen sie, keuchte, kreischte und wurde ganz plötzlich still und rief aus: »Die da bringen kein Übel für uns mit sich, das ich riechen kann.« Er wandte sich an sie: »Diese Person wird Panigpak genannt, und einige behaupten, er sei ein Angakok ...« – ein Schamane, Zauberer, Vertrauter von Geistern und Dämonen, Heiler, Seher und, wenn es nötig war, einer, der Böses auf Feinde herabwünschen konnte. Obwohl er so bescheiden wie bei seinem Volk üblich und vor Alter verschrumpelt war, hatte er etwas von dem Stolz eines wilden Tieres an sich. Tauno mußte an Wolf und Eisbär denken.
    Die Frauen quietschten und schwatzten; ein paar lachten mit halb ängstlichem Gackern. Ihre Augen flitzten wie schwarze Käfer über den hohen, breiten Wangenknochen hin und her. Von ihnen ging ein Geruch nach fleischlicher Hitze und, nicht unangenehm, nach Rauch und Öl und dem Urin aus, in dem sie sich die Haare wuschen. Die Männer lenkten ihre eigenen Fahrzeuge herbei. Sie verhielten sich ein bißchen reservierter – nur ein bißchen.
    Allein die Norwegerin war still. Wie die übrigen trug sie Mantel, I lose und Fußbekleidung aus Fellen, und sie war ebenso schmutzig wie sie, aber ihr Blick brannte blau. Das, ihr helles und feingeschnittenes Gesicht, ihre Größe und Schlankheit erweckten Sehnsüchte in Tauno, die keine Inuk-Frau stillen konnte. Er legte eine Hand zwischen die Schenkel, um diese Gedanken zu verbergen, und ergriff das Wort.
    »Vergebt dieser Person ihr stolperndes Sprechen. Wir haben die Sprache von einer weit von hier wohnenden Schar des Volkes gelernt. Mit ihnen jagten, fischten und schmausten wir, wir tauschten Geschenke aus und wurden Freunde. Hier wollen wir uns nicht aufhalten. Wir suchen nach unserer Familie und bitten euch um nichts anderes, als uns zu sagen, was ihr vielleicht von ihr wißt.«
    Der Wind blies, die Wellen rollten, das Boot schwankte in der grimmigen Kälte. Die blonde Frau brach das Schweigen in ihrer Muttersprache: »Wer seid ihr? Was seid ihr? Kein richtiges Seevolk ... glaube ich. Ihr habt keine Schwimmhäute an den Füßen.«
    »Dann weißt du von unserer Art?« rief Eyjan freudig.
    »Durch Erzählungen, die ich am Feuer hörte, die meisten aus dem alten Land. Sonst nichts.«
    Eyjan seufzte. »Nun, du hast recht. Aber verstehe, daß du uns ebenso in Erstaunen versetzt wie wir dich.«
    Die Frau drückte ihr Kind an die Brust, das sie wie die meisten Paddlerinnen mitgenommen hatte. Ihres war strohköpfig. »Können wir wirklich offen reden?« hauchte sie.
    Ein paar Männer erhoben Einspruch gegen die Unterhaltung, der sie nicht folgen konnten. War alles nicht bereits unheimlich genug? Sie antwortete ihnen gewandter, als es die Halbblutkinder hätten tun können. Diese Schwimmer sprächen das Dänische am besten. Sei es nicht am klügsten, sie diese Sprache benutzen zu lassen, damit sie alles schnell und richtig erklären konnten? Danach wolle sie den anderen klarmachen, was sie erzählt hatten. Sie wandte sich an Minik und Panigpak. Die Jettaugen des Angakoks durchbohrten die Fremden. Nach einer Weile stimmte er zu.
    Minik mußte ihr Mann sein, dachte Tauno. Wie war das nur geschehen?
    »Ich ... ich heiße Bengta Haakonstochter«, stammelte sie. Eine Pause, eine Wolke zog über ihr Gesicht. »Ich war Bengta Haakonstochter. Ich bin Atitak. Und meine Tochter ...« – sie drückte das einjährige Kind eng an sich – »... war Hallfrid, aber wir nennen sie Aloqisaq nach Miniks Großmutter, die im Treibeis starb, kurz bevor wir zu ihm kamen.«
    »Bist du entführt

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