Kinder des Wassermanns
»Laßt mich als erster gehen, damit ihr übrigen seht, was geschieht, und danach eure eigene Wahl treffen könnt.
Ich bin euer König.«
Vater Petar war schwer beleidigt, weil die Zeremonie draußen im Wald und von Vater Tomislav abgehalten werden sollte. Der Zhupan mußte ihn darauf hinweisen, daß es so auf ausdrücklichen Befehl des Bans geschehe, da es gegen seine politischen Absichten war, wenn sich viele Zuschauer einfanden, die oft nach Schibenik oder weiter reisten.
Nachdem er religiöse Unterweisung erhalten hatte, entschuldigte Vanimen sich und ging allein an die Küste. Er verbrachte den Tag und die Nacht des Äquinoktiums am Meer. Was er dort tat oder dachte, war etwas, über das er später Stillschweigen bewahrte.
Am Vorabend von St. Gabriel kehrte er zurück. Am nächsten Morgen betrat er die Kirche, nachdem die Messe gesungen worden war. Die Bewohner der Zadruga blieben als Zuschauer da. Kein Bildnis wandte sich von ihm ab. Draußen wartete sein Volk in schwerem Regen unter den schwellenden Knospen der Bäume.
Mit weit ausgebreiteten Armen trat er heraus und rief in ihrer eigenen Sprache: »Oh, eilt, eilt, meine Geliebten! Christus heißt euch mit Seinem Segen willkommen!«
6
Tauno und Eyjan erreichten Grönland Monate nach ihrem Aufbruch von Dänemark. Zuerst hatten sie in den näheren Gewässern gesucht, wenn sie auch kaum Hoffnung hatten. In diesen Gegenden konnte ihr Stamm nur leben, wenn er sich zerstreute, und das mochte an sich schon unmöglich sein. Die wenigen Jagdgründe, die vom Nordkap und dem Bottnischen Meerbusen bis zur irischen Atlantikküste und den Färöer-Inseln übriggeblieben waren – noch nicht von Menschen überlaufen oder durch den Fluch eines christlichen Priesters unzugänglich gemacht – , hatten längst andere eingenommen, und deren Zahl war so groß, daß sie sich dort gerade noch ernähren konnten.
So freundlich die Bewohner zu den Geschwistern waren, hatten sie doch keinerlei Kenntnis davon, wohin die Flüchtlinge sich gewendet haben konnten. Das war merkwürdig, denn Nachrichten wurden durch Meerleute, die einzeln oder in kleinen Gruppen umherstreiften, und durch die Delphine im allgemeinen weit verbreitet. Einige wenige hatten von einer Auswanderung das Kattegat hinauf und durch das Skagerrak gehört, aber dort endete die Spur.
Deshalb schwammen die Geschwister weiter nach Island, wo sie um den Mittwinter herum eintrafen. Sie bekamen keine andere Hilfe von den drei überlebenden Siedlungen an diesen Ufern außer der Gastfreundschaft während einer strengeren Jahreszeit, als Tauno und Eyjan sie in ihrem jungen Leben gekannt hatten. Ältere Leute, die mehrere hundert Jahre Erfahrung besaßen, erzählten ihnen, während der letzten acht oder neun Jahrzehnte habe die Kälte zugenommen. Packeis ächze in jedem Fjord, der früher einmal offen gewesen war, und Eisberge lauerten auf Seewegen, die Erich dem Roten vor drei Jahrhunderten noch kein Hindernis in den Weg gelegt hatten.
Aber das war für das Seevolk, das mehr Leben in kühlen als in warmen Gewässern fand, nicht von großer Bedeutung. Es war durchaus möglich, daß der König von Liri sein Volk zu noch nicht besetzten Gewässern um Grönland geführt hatte. Im Frühling machten sich Tauno und Eyjan dorthin auf.
Unterwegs befragten sie einige Delphine, die ihnen bestätigten, was sie vermuteten. Vanimen und seine Schar waren mit einem Schiff von Norwegen aus nach Westen gesegelt. Doch ein gewaltiger Sturm hatte sich erhoben und das Fahrzeug weiter vom Kurs abgetrieben, als diese Tiere jemals kamen. Denn ihre Territorien waren zwar groß, aber eben doch Territorien.
»Wenn das Schiff untergegangen ist ...« überlegte Tauno, ,,... sind die Seefahrer wieder zu Schwimmern geworden. Wohin sie sich gewandt haben, hängt davon ab, wo sie sich befanden, aber auf jeden Fall haben sie sich ein Ziel erwählt, das ihnen überhaupt erreichbar vorkam. Ist das Schiff nicht untergegangen, müssen sie zu demselben Ziel umgekehrt sein. Da wir nun schon so nahe an Grönland sind, haben wir die besten Aussichten, wenn wir unsere Reise fortsetzen.« Eyjan pflichtete ihm bei.
Sie verbrachten den Sommer auf der Ostseite, ohne Erfolg bei ihrer Suche. Was sie von der Rasse ihres Vaters antrafen, waren ungeschlachte Barbaren, die den Namen Liri niemals gehört hatten – denn das Seevolk hatte weniger Gelegenheiten gehabt, dieses Meer zu überqueren, als die Söhne Adams. Als sie auf eine Gruppe Inuit stießen,
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