Kinder des Wassermanns
bewegen, im Geruch eine Kloake zu stehen, wie es dein Atem ist.“
Ranild schwang die Faust in seine Richtung. Tauno trat zwischen sie. „Schluß damit!“ befahl der ältere Bruder. „Wir wissen, welche Arbeit getan werden muß und wie die Beute zu verteilen ist. Die Grenzlinie zwischen uns soll besser nicht übertreten werden – von keiner Seite aus.“
Ranild spuckte aus und stampfte mit einem Fluch davon. Seine Männer murrten.
Bald danach fand Niels sich auf dem Achterdeck von vieren, die Wache hatten, eingekreist. Sie knufften und verhöhnten ihn, und als er ihnen nicht Rede und Antwort stehen wollte, zogen sie die Messer und sprachen davon, sie wollten ihn so lange schneiden, bis er es täte. Später hätten sie sicher gesagt, das sei nicht ihr Ernst gewesen. Aber darauf konnte Niels sich im Augenblick nicht verlassen. Er durchbrach den Kreis, hastete die Leiter hinunter und rannte nach vorn.
Die Kinder des Wassermanns schliefen unter dem Vordeck. Es war ein blauer Tag mit feiner frischer Brise; ein paar Segel waren am Horizont zu erblicken, und die Schwingen der Möwen verrieten, daß Land in der Nähe war.
Die Schläfer erwachten schnell wie Tiere. „Was ist denn jetzt los?“ fragte Eyjan und trat neben den Menschenjüngling. Sie zog ihren Stahldolch, der wie die Waffen ihrer Brüder von Ingeborg mit etwas Indri-Gold gekauft worden war. Tauno und Kennin stellten sich links und rechts von den beiden auf, die Harpunen in der Hand.
„Sie … oh … sie …“ Niels’ Wangen wurden abwechselnd rot und weiß. Die Zunge versagte ihm den Dienst.
Oluv Ovesen trat mit wiegendem Schritt vor Torben, Palle und Tyge. (Ranild und Ingeborg schliefen unten, Lave war am Ruder, Sivard als Ausguck im Krähennest. Die beiden letzteren sahen voller Vergnügen zu und miauten dabei.) Der Maat zwinkerte mit seinen weißen Wimpern und zog die Lippen von seinen gelben Zähnen zurück. „Wer soll der nächste sein, du Hure?“ erkundigte er sich.
Eyjans Augen waren feuersteingrau, sturmgrau. „Was meinst du, wenn ein kläffender Köter überhaupt etwas meinen kann?“ fragte sie.
Oluv blieb zwei Ellen vor den drohenden Speeren stehen. Zornig stieß er hervor: „Tyge war heute nacht am Ruder und Torben im Mastkorb. Sie haben gesehen, daß du mit diesem Milchbart unter das Vordeck gegangen bist. Sie hörten, wie ihr beiden geflüstert und gestöhnt und euch herumgewälzt habt.“
„Und was hat meine Schwester mit dir zu tun?“ fuhr Kennin auf.
Oluv wackelte mit dem Zeigefinger. „Das: Wir haben uns wie anständige Männer verhalten und sie in Ruhe gelassen“, erklärte er, „aber wenn sie für einen die Beine spreizt, tut sie es für alle.“
„Warum?“
„ Warum? Weil wir das hier alle gemeinsam unternehmen. Und außerdem, welches Recht hat eine Seekuh, sich hochmütig zu zeigen und ihre eigene Wahl zu treffen?“ Oluv lachte dreckig. „Ich komme zuerst dran, Eyjan. Mit einem richtigen Mann wirst du mehr Spaß haben, das verspreche ich dir.“
„Geht weg“, antwortete das Mädchen, bebend vor Zorn.
„Es sind drei“, wandte Oluv sich an seine Kameraden. „Klein-Niels rechne ich nicht mit. Lave, binde das Ruder fest. Hallohoi, Sivard, komm herunter!“
„Was habt ihr vor?“ fragte Tauno mit ruhiger Stimme.
Oluv klopfte mit einem Fingernagel an seine Zähne. „Oh, nicht viel, Fischmann, wenn ihr vernünftig seid, du und dein Bruder. Wir werden euch für eine Weile fesseln, mehr nicht. Ansonsten – Vorsichtig mit der Lanze da! Wir haben Piken und Armbrüste, die wir holen können, denke daran, und wir sind sechs gegen euch.“ Er lachte. „Sechs! Eure Schwester wird sich noch bei uns bedanken.“
Eyjan schrie wie eine Katze. Kennin knurrte: „Vorher sehe ich dich im schwarzen Schlamm!“ Niels stöhnte, Tränen traten ihm in die Augen, mit der einen Hand zog er das Messer, die andere streckte er nach Eyjan aus. Tauno winkte sie zurück. Sein Seevolk-Gesicht zwischen den windzerzausten Locken war unbewegt.
„Ist das euer unabänderlicher Wille?“ fragte er betont tonlos.
„Das ist es“, erwiderte Oluv.
„Ich verstehe.“
„Ihr und sie … seid seelenlos … zweibeinige Tiere. Tiere haben keine Rechte.“
„O doch, die haben sie. Aber Schmutz hat keine. Viel Vergnügen, Oluv.“ Und Tauno griff mit seiner Harpune an.
Der Maat schrie auf, als die Zinken sich in seinen Bauch bohrten. Er fiel auf das Deck, zappelte und spuckte Blut, wimmerte und stöhnte. Tauno sprang hin und ergriff
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