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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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mit ihren Booten vorüberfuhren, sie entdeckten, kam gefährliches Gerede auf. Schon Niels ging jedes Mal ein großes Risiko ein, wenn er zurückkam, um weiteres Gold zu holen. Am besten war, daß er sonst nichts Auffälliges in einer Gegend tat, wo er bekannt war – und er mußte wohl oder übel im ganzen Königreich bekannt werden.
    Sie entschieden sich für die Insel Bornholm, die ziemlich weit weg in der Ostsee lag. Tauno kannte und liebte den Ort, an dem es nur wenige Siedlungen gab. Auch Niels war bei einer früheren Reise schon auf diesem Lehen des Erzbistums Lund gewesen und hatte dort einen alten Seemann kennengelernt, schrullig und vertrauenswürdig, der ein Boot in Sandvig besaß. Die Kinder des Wassermanns konnten ihn aufsuchen, sich als menschliche Ausländer ausgeben und bei ihm eine vorsichtig formulierte Botschaft hinterlassen. Gegen Bezahlung – sie hatten sich beide mit goldenen Armreifen versehen, von denen Stücke abgebrochen werden konnten – würde er schon bereit sein, nach Dänemark zu fahren, Niels aufzuspüren und ihm die Nachricht zu überbringen.
    „Auf nächstes Jahr, wenn wir am Leben bleiben – aye!“ sagte Tauno. Er und sein Kamerad besiegelten es mit Handschlag.
     
    Ingeborg und Hauau standen inmitten feuchter Wirbel, die eine unsichtbare Sonne in Silber verwandelte. Das Kattegat sprang an ihre Füße.
    „Ich muß fort, ehe der Nebel aufreißt und uns verrät“, sagte er zu ihr. Es war ausgemacht worden, daß er die Herning ein gutes Stück hinaussteuern und dann treiben lassen sollte, damit sie bis zur Unkenntlichkeit an einer norwegischen oder schwedischen Küste zerschellte, wo sie sowieso niemand kannte. Inzwischen würde ein grauer Seehund auf Sule Skerry zuschwimmen.
    Sie umarmte ihn und dachte überhaupt nicht an den Fischgeruch, der an ihrem Kleid haftenblieb. „Werde ich dich jemals wiedersehen?“ fragte sie unter Tränen.
    Überraschung malte sich auf den schweren Gesichtszügen, durchzitterte den mächtigen, zottigen Körper. „Ja, Mädchen, warum möchtest du denn das?“
    „Weil du … du gut bist“, stammelte sie. „Freundlich, rücksichtsvoll … Wieviel Rücksicht gibt es denn in dieser Welt … oder der nächsten?“
    „Was für ein Narr ist dieses Halbblut“, seufzte Hauau. „Nein, Ingeborg, das Meer wird uns trennen.“
    „Du könntest irgendwann zurückkommen. Wenn alles gutgeht – dann könnte ich mir eine Insel oder ein Stück Strand kaufen, um darauf zu wohnen …“
    Er umfaßte ihre Taille und sah ihr lange in die Augen. „Bist du so einsam?“
    „Du bist es.“
    „Und du glaubst, wir könnten zusammen …“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, meine Freude. Du hast dein eigenes Geschick, ich habe meins.“
    „Aber bis es soweit ist …“
    „Nein, habe ich gesagt.“ Er verstummte. Nebelfetzen flogen vorbei, das Wasser murmelte.
    Endlich erklärte er langsam, als sei jedes Wort eine Bürde: „Was ich an dir liebe, ist deine sterbliche Weiblichkeit. Aber mein Zweites Gesicht … ich erkenne nichts deutlich, denn noch ist alles verwischt … ganz plötzlich bekomme ich Angst vor dir. Solche Fremdartigkeit bläst der Wind aus deinem Morgen heraus.“
    Er ließ sie los und trat zurück. „Vergiß mich“, brummte er, die Handflächen wie zur Verteidigung erhoben. „Ich hätte nicht sprechen sollen. Lebewohl, Ingeborg.“ Er drehte sich um und schritt weg von ihr.
    „Wenn ich meinen Sohn zeuge“, rief er durch einen vorbeitreibenden Nebelvorhang, „werde ich an dich denken.“
    Sie hörte ihn hinauswaten. Sie hörte ihn schwimmen. Als der Nebel sich hob, war das Schiff am Horizont.
     
    Ein richtiges Abschiednehmen konnte es nicht geben. Alle hatten, je zwei und zwei, getan, was ihnen möglich war, bevor der Anker fiel. Niels und Ingeborg blickten nach Norden, bis die letzte Spur ihrer Liebsten zwischen den Wellen verschwunden war. Der Himmel war frei; vom Westen her ließen Sonnenstrahlen das Wasser gleißen. In der Ferne hoben sich die schwarzen Schwingen eines Zugs Kormorane vom Blau ab.
    Niels schüttelte sich. „Wenn wir Alsen vor dem Dunkelwerden erreichen wollen“, sagte er, „sollten wir jetzt lieber gehen.“
    Es bedeutete, daß sie diese Nacht in Ingeborgs Hütte schlafen mußten. Wenn sie während ihrer Abwesenheit niedergerissen worden war, würde Vater Knud vielleicht sein Dach mit ihnen teilen. Am Morgen mußten sie sich der irdischen Welt stellen, aber das sollte wenigstens unter Leuten beginnen, die sie

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