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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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kannten.
    Ingeborg fiel mit ihm in den gleichen Schritt. Sand knirschte unter den Füßen. „Denke dran“, mahnte sie, „laß mich anfangs das Reden zum größten Teil übernehmen. Du bist es nicht gewohnt zu lügen.“
    Er verzog das Gesicht. „Besonders dann nicht, wenn ich Menschen belügen soll, die mir vertrauen.“
    „Wohingegen eine Hure treulos ist.“
    So bitter klang ihre Stimme, daß er stehenblieb und ihr – steif, denn er war müde – den Kopf zuwandte. Sie blickte unverwandt nach unten auf den Weg. „Ich habe es nicht böse gemeint“, erklärte er verlegen.
    „Ich weiß“, antwortete sie tonlos. „Aber hüte deine Zunge, bis du aus dem Traum, der dich immer noch in seiner Gewalt hat, erwacht und wieder bei klarem Verstand bist.“
    Er errötete. „Ja, Eyjan fehlt mir. Das ist ein Verlust, der unter die Haut geht. Aber … oh …“
    Das machte sie weich. Sie streichelte ihm im Gehen über das Haar und meinte freundlich: „Später wirst du als der Mann von uns beiden die Führung übernehmen. Es ist nur, daß ich Männer in Hadsund kenne, von denen ich glaube, daß sie uns für ein bißchen Gold helfen werden, ohne zu viele Fragen zu stellen … und uns etwas über Männer mit Macht erzählen können, an die wir uns als nächstes wenden. Das haben wir alles schon besprochen.“
    „So ist es.“
    „Trotzdem müssen wir uns vergewissern, daß wir uns richtig verstanden haben, du und ich.“ Ihr Lachen klang spröde. „Hat es im Feenreich je eine fremdländischere Sache gegeben als unser Vorhaben?“
    Sie wanderten weiter nach Süden.

 
Drittes Buch
Der Tupilak
     
1
     
    Ein paar Seemeilen von der adriatischen Küste landeinwärts begannen die Hügel, zu Bergen anzuwachsen. Dieser Rand der Svilaja Planina war auch die Grenze des Bezirks, der sich weiter hinauf in das richtige Hochland zog und für dessen Frieden der Zhupan Iwan Subitsch verantwortlich war. Doch seine Burg stand nicht nahe der Mitte des Landes, sondern bei Skradin, gar nicht weit von Schibenik. Das lag teils daran, daß das Dorf die größte Gemeinde in der Zhupe war, teils daran, daß er im Notfall schnell Hilfe aus der Stadt bekommen konnte. Im allgemeinen gab es jedoch wenig Gefahren; ein großer Teil des Landes bestand aus Wildnis, und die Einwohner waren friedlich. Das war in der Tat eine völlig andere Welt als die an der Küste mit ihren Schiffen und Städten und dem Blick auf den Westen. Hier hatte man die alten Sitten und die alten Dinge bewahrt.
    Vater Tomislav schien sie zu verkörpern, als er durch Skradin wanderte. Er stapfte schneller einher, als man es bei einem so wohlbeleibten Mann erwartet hätte. Sein Eichenstock würde eine beängstigende Waffe abgeben, sollte er je angegriffen werden. Die Soutane, die er über staubigen alten Stiefeln hochgeschürzt hatte, war von gröbster Beiderwand, verblichen und gestopft. Der Rosenkranz, der ihm mit pendelndem Kruzifix von der Seite hing, hatte hölzerne, von einem Bauern geschnitzte Perlen. Auch sein Gesicht war bäuerlich, breit, rundnasig, wettergegerbt, mit kleinen, zwinkernden braunen Augen über hohen Wangenknochen. Sein graues Haar war schütter, aber ein mächtiger, angegrauter Bart wallte ihm über die Brust bis beinahe auf den Bauch. Seine Hände waren groß und schwielig.
    Während er die Straße hinunterging, wurde er von vielen Leuten gegrüßt. Er antwortete mit dröhnender Stimme, außer wenn ein Kind so nahe an ihn heransprang, daß er ihm die Locken zausen konnte. Ein paar Bewohner riefen ihm Fragen zu. Hatte er etwas über die Fremden erfahren, waren sie gefährlich, hatte ihre Ankunft eine besondere Bedeutung? „Ihr werdet es zur rechten Zeit hören, zu Gottes rechter Zeit“, erwiderte er ihnen, ohne den Schritt anzuhalten. „Inzwischen fürchtet euch nicht. Wir haben wackere Heilige, die sich um uns kümmern.“
    Vor der Burg teilte eine Schildwache ihm mit: „Der Zhupan hat gesagt, er wolle Euch in der Falkenkammer empfangen.“ Tomislav nickte und hastete weiter über das Kopfsteinpflaster des Hofs in den Hauptturm. Diese Burg war eine kleine Festung, aus gelbbraunem Kalkstein erbaut, der vor mehr als hundert Jahren in einem nahe gelegenen Steinbruch gebrochen worden war. Sie hatte keine Glasfenster, keine richtigen Kamine und keinerlei modernen Komfort. Am Nordende konnte sie sich eines Wachturms rühmen, unter dessen Dach sich ein Raum befand, von dem aus die Männer weit über die Landschaft hinwegblicken konnten. Manchmal ließen sie

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