Kinder des Wassermanns
schalt Petar.
Tomislav wurde ärgerlich, faßte seinen Stock fester und grollte zurück: „Welchen Rat hättet Ihr denn zu geben?“
„Am sichersten ist es, sie zu töten“, erklärte Petar. „Sie mögen menschlich sein oder auch nicht, aber Christen sind sie ganz bestimmt nicht – weder Katholiken nach dem westlichen Ritus, obwohl dieser eine unter ihnen Latein kann, noch unseres Glaubens. Sie sind auch keine orthodoxen Schismatiker, sie gehören nicht der Gefolgschaft des verabscheuungswürdigen Häretikers Bogomil an, ja, nicht einmal Juden oder Heiden sind sie.“ Seine Stimme stieg in die Höhe; zwischen den kühlen Steinmauern schwitzte er. „Nackt, schamlos; es wurde beobachtet, daß sie hemmungslos kopulieren … selbst die schlimmsten Heiden haben doch einigen Anstand, kennen eine Art von Ehe … Und nichts, das einem Gebet, einem Opfer, einem Akt der Anbetung ähnelt, hat man bei ihnen festgestellt.“
„Sollte das wahr sein …“ – Tomislav sprach mit milder Stimme – „… nun, dann wäre es die schwerste aller Sünden, sie zu erschlagen, wenn wir sie statt dessen zu Gott führen könnten.“
„Das können wir nicht“, verteidigte Petar seinen Standpunkt. „Es sind Tiere, sie haben keine Seelen, oder sie sind etwas noch Schlimmeres, stammen aus der Hölle selbst.“
„Das bleibt abzuwarten“, unterbrach Iwan.
Petar umklammerte das Handgelenk des Zhupan. „Herr … mein Sohn … mein Sohn, sollen wir die Gefahr der Verdammung auf uns nehmen, die sie über uns bringen könnten? Die Heilige glagolitische Kirche wird bereits belagert – vom Papst, der unser liebender Vater sein sollte, von den Orthodoxen Serbiens und des Reichs, von den vom Satan inspirierten Bogomils …“
„Genug!“ Iwan riß sich los. „Ich habe Vater Tomislav aus guten Gründen gebeten, herzukommen und sich diese Wesen anzusehen. Muß ich sie Euch wiederholen? Ich kenne ihn von altersher als einen Mann, der auf seine Art weise ist. Auch ist er kein Ignoramus, er hat in Zadar studiert und später dem dortigen Bischof gedient. Was nun Teufelswerk und Hexenkunst betrifft, so lebt er unter Menschen, die darüber mehr wissen als wir. Er selbst wurde davon berührt, als …“
Hier nahm Tomislavs Gesicht einen Ausdruck an, der den Krieger seine Rede abbrechen und lahm mit den Worten beenden ließ: „Habt Ihr denn etwas entdeckt?“
Der bäuerliche Priester stand einen Augenblick schweigend da und kämpfte seine Gefühle nieder, bevor er antwortete. Dann sprach er langsam und ruhig. „Es mag sein. Als Petar feststellte, daß ihr Anführer ein bißchen Latein spricht, hat er ihn völlig falsch behandelt. Der Mann ist stolz, er leidet an seinen Wunden, er ist krank aus Angst um sein Volk. Fährt man ihn an wie einen Sklaven, beschimpft man ihn wegen ihres Verhaltens, das keinem Schaden tut außer vielleicht ihnen selbst … was meint Ihr, wie er darauf antworten wird? Selbstverständlich hat er Petar den Rücken gekehrt. Besser habt Ihr uns vertreten, Zhupan, als Ihr Euren Feldscher zu ihnen schicktet, damit er ihre Wunden behandle.“
„Doch dann habt Ihr freundlich mit dem Häuptling gesprochen“, fiel Iwan ein. „Was hat er Euch erzählt?“
„Bisher noch wenig. Ich bin jedoch überzeugt, das deutet nicht auf einen Mangel an Bereitwilligkeit hin. Sein Latein ist dürftig und hat einen schauderhaften Akzent.“ Tomislav lachte vor sich hin. „Ich gestehe, mein eigenes hat Rost angesetzt, was die Sache nicht gerade förderte. Außerdem ist der eine für den anderen ein völlig fremdes Wesen. Wieviel kann da in ein paar Stunden erklärt werden?
Er teilte mir mit, sie seien nicht als Feinde, sondern auf der Suche nach einer neuen Heimat hergekommen, die sie unter dem Wasser finden wollen.“
Diese Nachricht rief weniger Überraschung hervor, als man hätte meinen können, denn das Aussehen des Seevolks hatte sofort zu Spekulationen geführt. „Sie wurden aus ihrem Wohnsitz im fernen Norden vertrieben. Ich konnte nicht erfahren, wie oder warum. Er gibt zu, daß sie keine Christen sind, doch was sie statt dessen sind, ist für mich immer noch ein Geheimnis. Er versprach, wenn wir sie gehen ließen, würden sie das Wasser aufsuchen und niemals zurückkehren.“
„Lügen sind billig“, bemerkte Petar.
„Glaubt Ihr, er hat die Wahrheit gesprochen?“ fragte Iwan.
Tomislav nickte. „Das glaube ich. Natürlich kann ich es nicht auf meinen Eid nehmen.“
„Habt Ihr irgendeine Vorstellung von ihrer
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