Kinder des Wassermanns
bemalt. Die Schindeln ihres Dachs bauchten sich zu einer Zwiebelkuppel aus, auf der sich das Kreuz erhob. Eine Mühle hatte das Dorf nicht, aber Fundamente und die zerbröckelten Überreste eines Erdwalls zeigten, daß es früher einmal eine gegeben hatte.
Nirgendwo erstreckten sich Felder und Wiesen weiter, als das Auge reichte. Der Wald umgab sie alle. An einigen Stellen war er weit weg, an anderen kam er nahe heran, aber überall brütete er, die Kronen im Sonnenlicht, doch darunter voller Schatten. Die meisten Bäume waren Eichen oder Buchen, dazwischen verschiedene andere Arten. Das Unterholz wuchs dicht.
Auf mancherlei Art erinnerte die Siedlung Vanimen an Alsen. Im Laufe der Zeit merkte er, wie oberflächlich diese Ähnlichkeit war.
Die Reise nach hier, auf einem geliehenen Esel, war eine Tortur gewesen. Doch sobald er einmal in Tomislavs Haus war, ein Bett zum Ausruhen und reichliches, gutes Essen hatte, wurde der Wassermann schneller gesund, als es bei einem Menschen der Fall gewesen wäre. Ein zweites Geschenk des Feenreichs war die Schnelligkeit, mit der er die hrvatskanische Sprache lernte. Es dauerte nicht lange, und er und der Priester konnten richtige Gespräche führen, die von Tag zu Tag weniger stockend waren. Nachdem die Dorfbewohner die Furcht vor ihm verloren hatten, lernte er auch sie und einiges über ihr Leben kennen.
Er saß zusammen mit Tomislav auf einer Bank vor dem Haus, unter den langen Dachbalken. Es war Sonntag, der Tag, an dem die Menschen von ihrer Arbeit ausruhten. Der Priester hatte bei der Ernte ebenso schwer gearbeitet wie alle anderen; Vanimen, jetzt wieder gesund, hatte seine Kraft zur Verfügung gestellt, die groß, wenn auch ungeschult war.
Der Sommer ging in den Herbst über. Die Blätter zeigten ein blasseres Grün als zuvor, ein paar waren bereits braun, rot und golden. Auch der Himmel war bleich geworden, und darüber zogen Gänse hin, deren Schreie wortlose Sehnsüchte erweckten. Als die Sonne unter die Baumwipfel sank, wurde der bisher kühle Wind kalt. Die meisten Leute saßen müßig zu Hause. Diejenigen, die vorbeikamen, grüßten Tomislav und seinen Gast. Der Anblick war ihnen vertraut geworden. Gekleidet wie die übrigen, abgesehen von seinen bloßen Füßen, hätten man Vanimen beinahe für einen Menschen von mächtiger Statur halten können.
Die beiden tranken Bier aus Holzschalen und waren ein wenig beschwipst. „Ihr seid von der guten Art“, bemerkte der Wassermann. „Ich wollte, ich könnte Euch helfen, besser zu leben.“
„Ein solcher Wunsch bestärkt mich in meinem Glauben, daß Ihr Gottes Gnade gewinnen könntet, wenn Ihr nur wolltet“, fiel Tomislav eifrig ein.
Als Vanimens eigenes Mißtrauen verblaßt war, hatte er offen gesprochen. Der Priester milderte die Geschichte ab, als er sie in einem Bericht niederlegte, den er Iwan durch einen Jungen schickte. „Ich will ihn nicht belügen, aber ich will auch nicht ohne Not die Feindseligkeit gegen Euch verschärfen“, hatte er erklärt.
Tomislav seinerseits hatte versucht, Vanimen auseinanderzusetzen, welche Art Land dies war. Hrvatska teilte die Monarchie mit Ungarn. Von der Natur reich beschenkt, mit zahlreichen Seehäfen für den Handel mit dem Ausland, war es selbst ein bedeutendes Reich. Es wäre noch bedeutender gewesen, hätten die großen Clans nicht ständig im Streit miteinander gelegen, was manchmal zu regelrechten Kriegen führte. Ach, und dann zogen Ausländer, vor allem die verdammens-werten Venetianer, ihren Vorteil aus dem Chaos und besetzten, was nicht ihnen gehörte. Im Augenblick herrschte Frieden. Ein Bündnis zwischen dem Subitsch- und dem Frankapan-Clan hatte eine starke Regierung erzeugt. Am mächtigsten war der Graf von Bribir Pawel Subitsch, der die Stellung eines Ban, eine Provinzherrschers, gewonnen hatte, nur daß seine Provinz heute das ganze Land umfaßte. Iwan war mit ihm verwandt.
An diesem Abend wich Vanimen einem Gespräch über den Glauben aus, indem er sagte: „Arbeit und Armut mögen die Seele reinigen, aber für Körper und Geist sind sie hart. Ihr habt ja nicht einmal eine richtige Haushälterin.“ Es kamen abwechselnd Frauen für die Arbeit, aber keine hatte dafür viel an Zeit oder Kraft übrig. Oft mußte der Priester selbst kochen – was er recht gut konnte, denn er hatte Vergnügen am Essen – und saubermachen. Den Garten und das Bierbrauen besorgte er immer allein.
„Ich brauche keine, wirklich nicht. Meine Bedürfnisse sind einfach. Ich
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