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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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schlimmer war, unseren drei heranwachsenden Kindern gefiel das Leben hier ebensowenig, wie Sina die Stadt gefallen hatte. Sie vermißten die Außenwelt, sie fingen Streit an, wurden aufsässig. Meine Ordination hatte meine ganze Familie von der Leibeigenschaft befreit. Deshalb waren sie durch kein Gesetz an Ort und Stelle gebunden. Einer nach dem anderen, sobald sie alt genug dazu waren, verleugnete uns und ging davon.
    Zuerst ging Franjo zur See. Nach ein paar Fahrten wurde von seinem Schiff nie wieder etwas gehört. Es mag gesunken, es mag Piraten oder Sklavenjägern zum Opfer gefallen sein. Vielleicht ist mein Sohn in diesem Augenblick ein Eunuche in irgendeinem türkischen Harem. Kyrie eleison.
    Später lief Juraj, unser jüngerer Sohn, davon. Er ist in Split und arbeitet für einen venetianischen Verwalter – für Venedig, den alten Feind. Ich höre über ihn von Zeit zu Zeit durch die Freundlichkeit eines Händlers, den ich kenne. Aber nie gibt er mir selbst Nachricht. Kyrie eleison.
    Vielleicht könnt Ihr Euch vorstellen, wie das Sinas Herz zerriß, das zu verhärten ihr nie gelang. Ein paar Jahre, nachdem sie ihr letztes Kind geboren hatte, zog sie sich in völliges Schweigen zurück, bewegte sich kaum noch … lag nur im Bett, mit leeren Augen. Obwohl ich weinte, als sie vor zehn Jahren starb, wußte ich, daß es Gottes Gnade war. Und unsere kleine Tochter war damals noch am Leben, war für sie noch am Leben.“
    Tomislav schüttelte sich. Er stieß ein Lachen aus. „Ihr müßt mich für ganz durchtränkt von Selbstmitleid halten“, sagte er, als er in die Wirklichkeit des Abends zurückgefunden hatte. „Doch so ist es nicht, ganz und gar nicht. Gott gibt mir so manchen Trost: Sich selbst, den grünen Wald, Musik, Feste, Freunde, das Vertrauen meiner Herde und, ja, die Liebe der kleinen Kinder …“
    Er starrte in seine Schale. „Sie ist leer“, verkündete er. „Eure auch. Ich will neues Bier vom Faß holen. Vor der Vesper haben wir noch Zeit.“
    Als er zurückkehrte, bemerkte Vanimen vorsichtig: „Auch ich habe Kinder verloren.“ Er setzte nicht hinzu, daß er sie auf ewig verloren hatte. „Ihr erwähntet ein Mädchen, das spät kam. Sagt mir doch, ist sie ebenfalls gestorben?“
    „Ja.“ Tomislav ließ sich auf die Bank plumpsen. „Sie war ein schönes Mädchen.“
    „Was ist geschehen?“
    „Niemand weiß es. Sie ertrank im See, wo sie spazierenging. Vielleicht stolperte sie, schlug mit dem Kopf an eine Wurzel. Dies eine Mal kann es nicht die Schuld des Vodianoi sein, denn nach vielen Tagen der Suche fanden wir ihren Körper auf dem Wasser treiben …“
    … aufgedunsen und stinkend, wie Vanimen wußte.
    „Ich habe sie nicht bei ihrer Mutter und den anderen begraben lassen“, berichtete Tomislav. „Ich habe den Sarg nach Schibenik gebracht.“
    „Warum?“
    „Oh, ich dachte mir – oh, vielleicht würde die Erde ihr leichter werden – ich war benommen, versteht Ihr. Der Zhupan half mir, daß ich die Erlaubnis bekam.“
    Als wolle er Vanimen angreifen, rückte Tomislav nahe an ihn heran und fuhr fort: „Ich habe Euch gleich gesagt, es würde keine sehr interessante Geschichte werden. Außerdem habt Ihr noch eigenen Kummer zu überwinden.“
    Vanimens Verstand arbeitete methodischer als bei den meisten Meerleuten, aber er konnte einen Gesprächsgegenstand oder eine Stimmung so schnell wechseln, wie es wünschenswert war. „Aye, ich sorge mich um meinen ganzen Stamm“, antwortete er. „Ich hätte gern mit Euch darüber gesprochen.“
    „Ihr habt das mit Worten getan …“ – Tomislav versuchte zu lächeln – „… die beißend wurden.“
    „Nur um mich zu beklagen, daß sie immer noch eingepfercht sind, und wie ich höre, hat man die Frauen und Kinder von den Männern getrennt.“
    „Nun, ihr Benehmen war unschicklich. Das Gerede darüber wurde zu einer Bedrohung der öffentlichen Moral, behauptete Petar.“
    „Wie lange soll das noch so weitergehen?“ Vanimen schlug sich mit der Faust auf den Schenkel. „Immerzu sehe, fühle, höre, rieche, schmecke ich ihr Elend in der Unfreiheit.“
    „Ich habe es Euch doch erklärt“, sagte Tomislav. „Der Ban hat entschieden, daß sie festgehalten und ordentlich versorgt werden sollen, bis er umfassende Informationen über sie hat. Ich glaube, dieser Zeitpunkt ist nahe. Ihr und ich, wir haben viel voneinander gelernt. Jetzt, wo Ihr die hrvatskanische Sprache beherrscht, könnt Ihr selbst mit ihm sprechen. Er wünscht sich

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