Kinder des Wassermanns
Lehrjungen nicht sehen konnten, was sie darin verborgen hielt, und enthüllte einen Fingerring. Das war kein geringes Schmuckstück. Aksel schätzte seinen Wert auf fünf Silbermark. „Dann folgt mir“, erwiderte er mit maskenstarrem Gesicht und führte seine Besucher aus den Arbeitsräumen des Hauses in das Wohnquartier und durch eine Tür, die er schloß.
Das Zimmer dahinter war dunkel getäfelt, mit massiven Möbeln und erstklassigem Glas in den Fenstern ausgestattet. Aksel zog die Vorhänge zu und erzeugte so ein Dämmerlicht, das für Geheimnisse geeignet war. Er nahm den Ring, setzte sich an einen Tisch und untersuchte die merkwürdigen Figuren in dem Gold. „Setzt euch, ihr beiden“, befahl er mehr, als daß er sie einlud.
Sie ließen sich auf Stuhlkanten nieder. Angstvoll ruhte ihr Blick auf ihm. Er war fett, hatte blaue Wangen und einen schweren Mund, und seine reichen Kleider strömten einen stärkeren Geruch nach altem Schweiß aus als üblich war. Nach einer Weile sah er auf. „Wer bist du?“ fragte er Niels.
Dieser gab seinen Namen, seinen Geburtsort und seinen Beruf als Seemann an. Die Augen des Kaufmanns duchbohrten ihn. Der Junge war, ebenso wie die Frau, sauber, ordentlich, neu eingekleidet. Aber die Spuren von Sonne, Wind und Mühsal waren bei beiden noch wenig gemildert worden.
„Was wollt ihr von mir?“ fragte Aksel.
Ingeborg sprach: „Das ist eine lange Geschichte. Da Ihr selbst Händler seid, werdet Ihr verstehen, wenn wir viel davon für uns behalten. Kurz gesagt, wir sind zu einigem Vermögen gekommen und brauchen Hilfe, um es anzulegen. Niels hier meint, wir sollten uns am besten in der Schiffahrt einkaufen. Ihr tätigt Geschäfte mit Kapitänen, Ihr habt ausländische Verbindungen – bestimmt mit … dem Hanseatischen Bund, ist das richtig, Niels? Wenn Ihr uns zu dem geeigneten Mann schicken könnt, zu einem, von dem Ihr selbst glaubt, daß er uns anhören wird …“ – sie ließ das Lächeln aufblitzen, das sie auf dem Marktplatz angewandt hatte – „… dann werdet Ihr feststellen, daß wir nicht geizig sind.“
Aksel zupfte an einer schwarzen Haarlocke. „Ein seltsames Angebot von einer wie dir“, meinte er dann. „Ich muß mehr wissen. Wie groß ist dieser Schatz, und wie habt ihr ihn gewonnen?“
Sein Blick wanderte zu der Börse, die schwer an Niels’ Gürtel hing. In dem Beutel befanden sich einheimische Münzen, die keine Verwunderung hervorrufen würden. Ingeborg hatte sie von einem Goldschmied in der Stadt bekommen, den sie ebenfalls kannte. Das war ein Mann, der gern das Risiko einging, vom Gesetz erwischt zu werden, wenn er einen Klumpen kostbaren Metalls weit unter dem angemessenen Wert kaufen konnte. Bedeutend mehr Reichtum trugen Ingeborg und ihr Gefährte in Form von Goldstücken bei sich, die sie in ihre Kleidung eingenäht hatten, aber das war für unvorhergesehene Bedürfnisse in der nahen Zukunft bestimmt.
Ingeborg antwortete kühl: „Wie hoch sich die Summe wirklich beläuft, hängt davon ab, was wir damit anfangen können – weshalb wir um Euren Rat bitten. Es ist ein gefundener Schatz, versteht Ihr.“
Aksel zuckte zusammen. „Dann gehört er der Krone! Wollt ihr, daß man euch hängt?“
„Nein, nein, nichts dergleichen. Laßt mich erzählen. Sicher erinnert Ihr Euch an Herrn Ranild und seine Kogge und daß er früher im Jahr zu einer Reise aufbrach, über die er den Mund hielt und daß man seither nichts mehr von ihm vernommen hat. Niels gehörte zur Mannschaft, und mich hat Ranild mitgenommen.“
„Was?“ Der Pferdehändler erholte sich von seiner Überraschung. „Hm, ja, die Leute hier herum wunderten sich schon, was aus Stockfisch-Ingeborg geworden sei. Aber eine Frau auf See, das bedeutet Unglück.“
„Nein!“ widersprach Niels in aufflammendem Zorn.
Ingeborg winkte ihm, still zu sein, und fuhr fort: „Er war in Eile und hatte nicht genug Männer. Ich konnte mich nützlich machen.“
„Und wie!“ wieherte Aksel. Niels funkelte ihn an.
Ingeborgs Kopf blieb hocherhoben. „Außerdem hatte ich über eine bestimmte Sache einiges gehört, wie das ja oft geschieht. Ranild hatte auf andere Weise davon erfahren, und als wir die Bruchstücke der Nachricht zusammensetzten, wies sie auf einen Schatz hin, der an einem Ort mitten im Ozean bei einem heidnischen Begräbnis versenkt worden war. Deshalb war es kein Raub, kein Sakrileg und keine Unterschlagung von Eigentum eines anderen.
Doch das Gold erweckte die Habgier und führte
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