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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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Helligkeit, die die Wipfel der Bäume rings um den See im Rauhreif schimmern ließ und auch die kleinste Welle mit Silber bestreute. Ein Wind trug Herbstkühle heran und raschelte durch sterbende Blätter.
    Der Vodianoi erhob sich vom Grund und schwamm zum Ufer. Er wurde alt, wenn der Mond abnahm, jung, wenn er zunahm; diese Nacht hatte er das höchste Ausmaß seiner Macht und seines Hungers erreicht. Sein Körper von der Größe dreier Schlachtrosse, auf dem Moos und nachschleppende Schlingpflanzen wuchsen, war wie der eines Mannes gestaltet, nur daß er einen dicken Schwanz, lange Zehen mit Schwimmhäuten und mit Klauen versehene Vordertatzen hatte. Das Gesicht war flach mit Borsten um den höhlenartigen Mund. Die Augen glühten rot wie Kohlen.
    Als sein Bauch den Boden berührte, hielt er an. Durch die Dunkelheit unter den Bäumen klang ein Geräusch an seine Ohren, als würden Büsche zur Seite gebogen und als kämen Schritte näher. Was Menschen hier auch nach Dunkelwerden zu suchen hatten, vielleicht war einer von ihnen unvorsichtig genug, in den See hinauszuwaten. Der Vodianoi lag still da wie ein Stein. Die silberglänzenden Furchen, die er durchs Wasser gezogen hatte, glätteten sich.
    Eine Gestalt glitt aus dem Schatten und verhielt auf dem Gras am Rand des Wassers: aufrecht, schlank, weiß wie der Mond. Lachen perlte. „Oh, du Dummer! Ich will dir zeigen, wie man sich auf die Lauer legt.“ Schnell wie der Wind flog sie in eine nahe stehende Eiche. „Hier hast du etwas zu essen!“ Eicheln sausten durch die Luft und prallten von der Haut des Ungeheuers ab.
    Vor Zorn stieß er ein donnertiefes Grunzen aus. Ständig in diesen letzten drei Jahren hatte die Vilja ihn geärgert. Er hatte sich sogar mühsam ein paar Schritte aufs Land gewälzt und versucht, sie zu fangen, was ihm nichts als ihren Spott eingebracht hatte. Bald mußte sie den Wald verlassen, weil sie den Winter unter der Oberfläche von See und Fluß zu verbringen pflegte, aber das nützte dem Vodianoi nichts. Obwohl die Kälte sie schläfrig machte, blieb sie doch immer zu wachsam und zu schnell für ihn. Außerdem wußte er in seinem trüben Verstand recht gut, wenn er nicht gerade vor Wut außer sich war, daß er wahrscheinlich einem solchen Geist gar nichts anhaben konnte. Das einzig Gute war, daß sie ihn in der kalten Jahreszeit nur wie eine Schlafwandlerin grüßte, wenn sie sich begegneten.
    „Ich weiß“, rief sie, „du hoffst, du bekommst eine Beute zu packen, schöner Mann. Das wirst du aber nicht.“ Mit einer Handbewegung ließ sie einen kleinen Wirbelwind um ihn kreisen. „Sie gehören mir, diese Reisenden.“ Ihre Stimmung schlug um. Der Wind erstarb. „Aber warum sind sie des Nachts unterwegs?“ fragte sie sich selbst mit einer Stimme, die ihre Verwirrung verriet. „Und sie tragen kein Feuer mit sich, um dabei zu sehen. Männer würden Feuer mitbringen – richtig? Ich kann mich nicht erinnern …“
    Auf ihrem hohen Sitz umarmte sie ihre Knie, schaukelte sich vor und zurück, ließ ihr helles, wolkiges Haar in einer Brise flattern, die kaum eine Locke derjenigen, die sich näherten, bewegte. Plötzlich rief sie: „Es sind keine Menschen – die meisten von ihnen –, keine wirklichen Menschen.“ Sie kletterte höher, um sich zu verstecken.
    Der Vodianoi zischte ihr nach, ließ sich unter die Oberfläche sinken und wartete.
    Die Meermenschen kamen aus dem Wald. Zwanzig waren es, angeführt von Vanimen, nackt bis auf die Messergürtel, aber mit Fischspeeren und Reifennetzen in den Händen. Iwan Subitsch befand sich unter dem halben Dutzend Menschen, die als Beobachter mitgekommen waren. Von Gefährten geführt, deren Feenaugen im Dunkeln sehen konnten, waren sie vorangestolpert. Nun kniffen sie die Augen geblendet zusammen, als sich plötzlich das Mondlicht über sie ergoß.
    „Dort ist er!“ rief Vanimen. „Wir haben ihn schon gefunden. Ich dachte mir, daß es uns helfen würde, auf jede Flamme zu verzichten.“
    Iwan strengte die Augen an. „Ein Felsblock?“ fragte er.
    „Nein, seht genau hin, achtet auf diese glimmenden Augen.“ Vanimen hob sein Messer und sagte etwas in seiner eigenen Sprache.
    Die Wassermänner wateten hinaus. Mit Freudengebrüll und aufblitzenden Fangzähnen schlug der Vodianoi nach dem nächsten. Das flinke Geschöpf entschlüpfte ihm. Er jagte einen zweiten und hatte ebensowenig Erfolg.
    Jetzt schwammen er und sie. Die Wassermänner kreisten ihn ein, höhnten, stachen ihn mit ihren Speeren.

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