Kinder des Wassermanns
die Flüchtlinge sich gewendet haben konnten. Das war merkwürdig, denn Nachrichten wurden durch Meerleute, die einzeln oder in kleinen Gruppen umherstreiften, und durch die Delphine im allgemeinen weit verbreitet. Einige wenige hatten von einer Auswanderung das Kattegat hinauf und durch das Skagerrak gehört, aber dort endete die Spur.
Deshalb schwammen die Geschwister weiter nach Island, wo sie um den Mittwinter herum eintrafen. Sie bekamen keine andere Hilfe von den drei überlebenden Siedlungen an diesen Ufern außer der Gastfreundschaft während einer strengeren Jahreszeit, als Tauno und Eyjan sie in ihrem jungen Leben gekannt hatten. Ältere Leute, die mehrere hundert Jahre Erfahrung besaßen, erzählten ihnen, während der letzten acht oder neun Jahrzehnte habe die Kälte zugenommen. Packeis ächze in jedem Fjord, der früher einmal offen gewesen war, und Eisberge lauerten auf Seewegen, die Erich dem Roten vor drei Jahrhunderten noch kein Hindernis in den Weg gelegt hatten.
Aber das war für das Seevolk, das mehr Leben in kühlen als in warmen Gewässern fand, nicht von großer Bedeutung. Es war durchaus möglich, daß der König von Liri sein Volk zu noch nicht besetzten Gewässern um Grönland geführt hatte. Im Frühling machten sich Tauno und Eyjan dorthin auf.
Unterwegs befragten sie einige Delphine, die ihnen bestätigten, was sie vermuteten. Vanimen und seine Schar waren mit einem Schiff von Norwegen aus nach Westen gesegelt. Doch ein gewaltiger Sturm hatte sich erhoben und das Fahrzeug weiter vom Kurs abgetrieben, als diese Tiere jemals kamen. Denn ihre Territorien waren zwar groß, aber eben doch Territorien.
„Wenn das Schiff untergegangen ist …“ überlegte Tauno, „… sind die Seefahrer wieder zu Schwimmern geworden. Wohin sie sich gewandt haben, hängt davon ab, wo sie sich befanden, aber auf jeden Fall haben sie sich ein Ziel erwählt, das ihnen überhaupt erreichbar vorkam. Ist das Schiff nicht untergegangen, müssen sie zu demselben Ziel umgekehrt sein. Da wir nun schon so nahe an Grönland sind, haben wir die besten Aussichten, wenn wir unsere Reise fortsetzen.“ Ey-jan pflichtete ihm bei.
Sie verbrachten den Sommer auf der Ostseite, ohne Erfolg bei ihrer Suche. Was sie von der Rasse ihres Vaters antrafen, waren ungeschlachte Barbaren, die den Namen Liri niemals gehört hatten – denn das Seevolk hatte weniger Gelegenheiten gehabt, dieses Meer zu überqueren, als die Söhne Adams. Als sie auf eine Gruppe Inuit stießen, schlossen sich die Halbblutkinder ihnen in der Hoffnung auf irgendwelche Nachrichten an.
Zu Hause hatten sie nichts weiter als vage Gerüchte über eine neue Rasse von Menschen gehört, die sich über die große, von Gletschern gekrönte Insel nach Süden bewegte. Tauno und Eyjan lernten sie als zäh, geschickt, hilfreich, freigebig und fröhlich kennen. Auch waren sie bessere Liebhaber als die meisten Küstenbewohner Europas, Heiden, die sich keiner Schuld bewußt waren, wenn sie Feenleute in ihrer Mitte aufnahmen. Aber nach ein paar Monaten wurde das Leben unter ihnen eintönig. Bruder und Schwester hatten etwas von ihrer Sprache gelernt und so in Erfahrung gebracht, daß keiner unter ihnen die sehnlich erhoffte Kunde besaß. Da sagten sie den Inuit Lebewohl und kehrten ins Meer zurück.
Bald hatten sie auf ihrem Weg nach Süden durch frühes Treibeis alle Spuren der Inuit hinter sich gelassen, denn diese waren noch nicht so weit vom Norden heruntergekommen. Das Paar umrundete das Kap an der Spitze der Insel und traf Delphine, die ihnen etwas mitteilten, das sie in einige Aufregung versetzte: Weiter oben an der westlichen Küste gehe Magie um. Die Delphine konnten kaum mehr berichten; bis an diese Orte kamen sie nicht, und was sie gehört hatten, war nur Geschwätz von der Art, wie sie es weiterzuverbreiten liebten. Auch hatten sie keine Lust, selbst nachzusehen; es wurde geflüstert, daß das eine sehr gefährliche Zauberei sei.
Das mochte den Delphinen nur so vorkommen, entschieden Tauno und Eyjan. Zum Beispiel konnte die Gründung eines Neu-Liri Geschöpfe, die von einer Unterwasserstadt niemals gehört oder geträumt hatten, durchaus in Furcht versetzen. Und was auch vorgehen mochte, sie mußten unbedingt Näheres darüber erfahren.
Von Menschen in der Heimat, die ihnen nahegestanden hatten, wußten sie, wie die Dinge auf Grönland standen. Die Norweger besaßen drei Siedlungen auf dieser Seite, wo das Klima weniger rauh war als anderswo. Die älteste,
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