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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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reservierter – nur ein bißchen.
    Allein die Norwegerin war still. Wie die übrigen trug sie Mantel, Hose und Fußbekleidung aus Fellen, und sie war ebenso schmutzig wie sie, aber ihr Blick brannte blau. Das, ihr helles und feingeschnittenes Gesicht, ihre Größe und Schlankheit erweckten Sehnsüchte in Tauno, die keine Inuk-Frau stillen konnte. Er legte eine Hand zwischen die Schenkel, um diese Gedanken zu verbergen, und ergriff das Wort.
    „Vergebt dieser Person ihr stolperndes Sprechen. Wir haben die Sprache von einer weit von hier wohnenden Schar des Volkes gelernt. Mit ihnen jagten, fischten und schmausten wir, wir tauschten Geschenke aus und wurden Freunde. Hier wollen wir uns nicht aufhalten. Wir suchen nach unserer Familie und bitten euch um nichts anderes, als uns zu sagen, was ihr vielleicht von ihr wißt.“
    Der Wind blies, die Wellen rollten, das Boot schwankte in der grimmigen Kälte. Die blonde Frau brach das Schweigen in ihrer Muttersprache: „Wer seid ihr? Was seid ihr? Kein richtiges Seevolk … glaube ich. Ihr habt keine Schwimmhäute an den Füßen.“
    „Dann weißt du von unserer Art?“ rief Eyjan freudig.
    „Durch Erzählungen, die ich am Feuer hörte, die meisten aus dem alten Land. Sonst nichts.“
    Eyjan seufzte. „Nun, du hast recht. Aber verstehe, daß du uns ebenso in Erstaunen versetzt wie wir dich.“
    Die Frau drückte ihr Kind an die Brust, das sie wie die meisten Paddlerinnen mitgenommen hatte. Ihres war strohköpfig. „Können wir wirklich offen reden?“ hauchte sie.
    Ein paar Männer erhoben Einspruch gegen die Unterhaltung, der sie nicht folgen konnten. War alles nicht bereits unheimlich genug? Sie antwortete ihnen gewandter, als es die Halbblutkinder hätten tun können. Diese Schwimmer sprächen das Dänische am besten. Sei es nicht am klügsten, sie diese Sprache benutzen zu lassen, damit sie alles schnell und richtig erklären konnten? Danach wolle sie den anderen klarmachen, was sie erzählt hatten. Sie wandte sich an Minik und Pa-nigpak. Die Jettaugen des Angakoks durchbohrten die Fremden. Nach einer Weile stimmte er zu.
    Minik mußte ihr Mann sein, dachte Tauno. Wie war das nur geschehen?
    „Ich … ich heiße Bengta Haakonstochter“, stammelte sie. Eine Pause, eine Wolke zog über ihr Gesicht. „Ich war Bengta Haakonstochter. Ich bin Atitak. Und meine Tochter …“ – sie drückte das einjährige Kind eng an sich – „… war Hallfrid, aber wir nennen sie Aloqisaq nach Miniks Großmutter, die im Treibeis starb, kurz bevor wir zu ihm kamen.“
    „Bist du entführt worden?“ erkundigte Eyjan sich mit leiser Stimme.
    „Nein!“ Bengta streckte die freie Hand über den Rand des Bootes und legte sie fest auf Miniks Schulter. Er errötete. Diese Zurschaustellung von Gefühlen, die den Inuit fremd war, setzte ihn in Verlegenheit, aber er ließ ihre Hand, wo sie war. „Erzählt mir von euch“, bat sie.
    Eyjan zuckte die Schultern. „Mein Bruder und ich sind zur Hälfte menschlich.“ In Kürze legte sie dar, was geschehen war. Mit nicht ganz fester Stimme schloß sie: „Habt ihr irgend etwas davon gehört, daß Seevolk angekommen sei?“
    „Nein“, antwortete Bengta. „Doch ist es gut möglich, daß es mir entgangen ist, bei dem Verlauf, den mein Leben in letzter Zeit genommen hat.“
    „Sprich mit deinen Gefährten, Liebes. Sag ihnen, die Meerleute seien nicht ihre Feinde. Im Gegenteil, Meeresbewohner und Luftatmer könnten gemeinsam vollbringen, wozu keiner allein imstande wäre.“
    In der singenden Sprache wurde hin und her geredet. Oft richtete Panigpak eine Frage direkt an die Halbblutkinder, manchmal mit Hilfe der Norwegerin. Stück für Stück kamen die Tatsachen zum Vorschein. Nein, diese Inuit wußten nichts von irgendeiner Ankunft. Doch sie verbrachten die meiste Zeit an Land und jagten, und nur selten fuhren sie weit aufs Meer hinaus – niemals so weit wie die weißen Männer, die in vergangenen Zeiten bis über den Horizont hinausgesegelt waren, um Bauholz zu holen (Bengta sprach von einem Ort, den sie Markland nannte), und immer noch die Gewohnheit hatten, im Sommer mit ihren Booten tollkühne, lange Reisen zu unternehmen. (Im Winter hockten sie dagegen zu Hause, und das war die Zeit, da die Inuit reisten – mit Hundeschlitten, über Land oder über das Eis an den Küsten.) Deshalb mochten die Bewohner von Vestri Bygd Kunde von Geschehnissen auf irgendeiner Insel haben, von denen arme, unwissende Leute in Kajaks nichts zu sagen wußten.

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