Kinder erziehen - die 101 wichtigsten Fragen und Antworten
tragen zur Selbstfindung und Entwicklung der eigenen Identität bei.
Kinder suchen ihre Vorbilder zunächst in der Familie und in der Schule oder im Sportverein: Eltern, ältere Geschwister, große Cousins, ein geliebter Lehrer oder ein bewunderter Trainer. Dann weiten sich die Beziehungen, es kommen Menschen hinzu, die Kinder aus den Medien kennen, Sportler, Musiker, Schauspieler, Persönlichkeiten, die sich für eine gute Sache einsetzen. Und natürlich gibt es auch noch die vielen Fantasiegestalten, Figuren aus Büchern, Comics, Filmen, und solche, die sich das Kind selbst ausdenkt. Oft suchen sich Kinder Vorbilder, deren Fähigkeiten ihnen aus ganz pragmatischen Gründen besonders verlockend erscheinen. Superstark sein wie Bob der Baumeister. Manchmal sind es auch Figuren oder Menschen, die Kindern vertraut sind, weil sie bestimmte Verhaltensweisen, Vorlieben und Abneigungen mit ihnen gemeinsam haben, obwohl sie sich durch ungewöhnliche Fähigkeiten und völlig andere Lebensumstände von ihnen unterscheiden, von Pipi Langstrumpf bis zu Harry Potter.
Am besten sind Vorbilder, die zur Auseinandersetzung anregen, die selbst mit Problemen zu kämpfen haben und zeigen, wie man Schwierigkeiten bewältigt, Ängste überwindet und sich Ungerechtigkeit widersetzt. Eltern sollten wissen, für wen sich ihr Kind begeistert, und darüber im Gespräch bleiben. Sie können anregen, Verhaltensweisen und Leistungen des «Helden» kritisch zu hinterfragen, und dürfen ruhig auch mal sagen: «Der gefällt mir nicht, weil…».
Mädchen gehen übrigens häufig eine intensive emotionale Bindung mit ihrem Vorbild ein. Jungen dagegen identifizieren sich eher mit ihm. Wenn sie beispielsweise Fußball spielen, eifern sie ihrem Star nicht einfach nach, sie schlüpfen in seine Haut. Jungen und Mädchen gemeinsam ist, dass ihre Fantasien über ein Vorbild immer mit einer Fülle von starken, «erwachsenen» Lebensgefühlen verbunden sind.
22 Was heißt Interkulturelle Erziehung?
Kinder wachsen heute in einer Welt auf, die von wachsender Vielfalt geprägt ist. Da ist Mustafa, der keine Schweinswürstchen essen darf, Dimitri, der erstaunlich gut Deutsch spricht, Wang, der Neujahr an einem anderen Tag feiert, und Aron, der von Pessach erzählt. Das ist bereichernd und gleichzeitig eine Herausforderung. Schließlich geht es nicht nur darum, miteinander Feste zu feiern, Musik zu hören und unbekannte Speisen kennenzulernen, sondern darum, Vielfalt wertzuschätzen, Gemeinsamkeiten und Zugehörigkeiten herzustellen, ohne das Eigene zu verleugnen.
Kinder müssen lernen, dass unterschiedliche Sichtweisen nebeneinander Platz haben. Dazu gehört, Unterschiede wahrzunehmen und mit ihnen zu leben, ohne sich angegriffen zu fühlen. Egal, ob die Unterschiede mit Herkunft, Religion, kultureller Prägung, Sprache, Geschlecht oder einem Handicap zu tun haben. «Fremdheitskompetenz» ist der Fachausdruck dafür. Um die zu erwerben, müssen sich Kinder zunächst in ihren eigenen Unsicherheiten oder Ängsten verstanden und angenommenfühlen. Dann können sie ein Bewusstsein vom Zusammenleben verschiedener Kulturen entwickeln, selbst wenn manche nicht ganz verstanden werden. Die Identität eines Kindes lässt sich stärken, wenn man ihm erklärt, dass jeder Mensch seine Persönlichkeit in einem besonderen sozialen, kulturellen, sprachlichen und religiösen Umfeld entwickelt, dass niemand besser oder schlechter ist, sondern nur anders.
Die meisten Kinder begegnen vor allem im Kindergarten und in der Schule anderen Traditionen und Lebensformen. Hier braucht es Erzieher und Lehrer, die im Bereich Interkulturalität fit sind, entsprechende Fortbildungen besuchen und neben Wissen auch über das notwendige Fingerspitzengefühl verfügen. In den Kindergartenjahren müssen Kinder lernen, sich trotz vielleicht großer Differenzen in andere hineinzuversetzen und zwischen dem, was man empfindet, und dem, was man daraus ableiten darf, zu unterscheiden.
Die beste interkulturelle Erziehung sind Eltern, die Respekt, Aufgeschlossenheit und Neugier für andere Kulturen vorleben, die ein offenes Haus führen, Stadtteilfeste besuchen und auf Reisen mit dem Unbekannten und Fremden vertraut machen oder sogar Gemeinschafts- und Solidaritätsgefühle engagiert leben, zum Beispiel in der Hausaufgabenhilfe für Kinder von Asylbewerbern. Mit älteren Kindern sollten nicht nur Lehrer oder Sporttrainer, sondern auch Eltern soziale, politische und religiöse Fragen diskutieren, um
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