Kinder
gingen zu einem der
Kriminaltechniker und fragten ihn nach den ersten Ergebnissen.
»Wollen Sie mitfahren?«, fragte der ältere Sanitäter und sah
zwischen Annette und Rainer Pietsch hin und her. »Wir würden Ihre Tochter jetzt
gerne ins Krankenhaus bringen.«
»Fahr du mit, vielleicht brauchen die Polizisten noch Infos von
mir«, sagte Rainer Pietsch. »Ich komm dann später mit dem Wagen nach.«
Annette Pietsch folgte den Sanitätern, die Sarah zum Krankenwagen
geleiteten. Das Mädchen wirkte noch immer abwesend, konnte aber problemlos zu
Fuß bis zum Heck des Wagens gehen und ohne fremde Hilfe hinaufklettern. Dort
setzte sie sich auf die Liege und starrte zum Fenster hinaus auf das Gebüsch.
Einer der Sanitäter nahm ihre Hand und führte sie zu einem Griff in der Wand,
den Sarah dann gleich fest umschloss. Er selbst setzte sich dem Mädchen
gegenüber und bot Annette Pietsch den Platz direkt neben ihrer Tochter an.
Der andere Sanitäter drückte die Hecktür zu, setzte sich ans Steuer
und fuhr zügig, aber ohne Blaulicht und Martinshorn davon.
Es hatte keine zehn Minuten gedauert, bis sie ihr Alibi in
der Tasche hatten. Hacki hatte die drei anderen angerufen, hatte sich mit ihnen
abgestimmt, und dann waren er und Rico hinübergegangen zu dem Schickimicki-Café
ein paar hundert Meter stadteinwärts.
Sie hatten sich auf die kleine Grünfläche gegenüber gelegt, als
seien sie hier schon immer gewesen und warfen nach kurzem Abwarten kleine
Steinchen auf Passanten, die mal eilig weitergingen und mal wütend zu ihnen herüberschimpften.
Schließlich standen sie auf, schlenderten zum Café, schubsten zwei, drei kleine
Blumenvasen von den Tischen und kickten die Bruchstücke wild johlend hin und
her. Zwei Gäste standen auf, bezahlten eilig und sahen zu, dass sie fortkamen.
Ein Kellner eilte mit wehendem Schurz zu ihnen heraus und baute sich
in seiner ganzen Größe vor Rico und Hacki auf.
»Sagt mal, ihr Knalltüten, geht’s noch?«
»Klar«, sagte Hacki, zog geräuschvoll die Nase hoch und spuckte vor
dem Kellner auf den Boden. »Und bei dir, du Lusche?«
Er konnte sich gar nicht so schnell ducken, wie ihm der Kellner eine
wischte, und danach schubste und boxte der offenbar gut trainierte junge Mann
die beiden Jugendlichen quer über den Gehweg bis hinaus auf die Straße – dann
lachte Hacki noch hämisch, zeigte dem Kellner den Mittelfinger und rannte mit
Rico in Richtung Güterbahnhof davon.
In ihrem Verschlag rieb sich Hacki die Schulter, die Rippen und ein
paar andere Stellen, an denen ihn der Kellner getroffen hatte. Es tat weh, aber
es hatte sich gelohnt. Der kurze Auftritt sollte für ein Alibi reichen, falls
eines nötig wurde.
Lukas staunte nicht schlecht, als ihn Christine Werkmann
auf dem Weg zur Bushaltestelle abpasste. Er hatte Kevins Mutter seit ihrem
Zusammenbruch nicht mehr gesehen – das Wissen, dass der Vorfall, der sie ins
Krankenhaus gebracht hatte, in Wirklichkeit ein Selbstmordversuch gewesen war,
hatten Rainer und Annette Pietsch ihren Kindern erspart. Sie hatten Lukas und
Sarah nur davon berichtet, dass Christine Werkmann allmählich wieder Fuß
fasste, dass sie auf Kur geschickt worden und recht erholt wieder
zurückgekommen war.
»Hallo, Lukas.«
»Hallo, Frau Werkmann. Was ist denn?«
»Deine Eltern haben mich angerufen und mich gebeten, ob ich dich und
Michael von der Schule abholen kann.«
»Ist …« Lukas erschrak. »Ist schon wieder etwas passiert?«
»Ist schon alles vorbei, und es geht Sarah auch schon wieder viel
besser. Du musst dir keine Sorgen machen.«
Die machte er sich nun natürlich erst recht.
»Sarah ist im Krankenhaus«, sagte sie betont beiläufig, als sie die
Angst im Blick des Jungen erkannte. »Ein paar Jungs haben sie wohl blöd
angemacht, und sie hat Kratzer abbekommen.«
Christine Werkmann wusste, was wirklich geschehen war, aber das
sollten ihm lieber seine Eltern erklären.
»Wir warten noch kurz auf Michael, und dann fahren wir ins
Krankenhaus.«
»Das dauert – Michael hat noch zwei Stunden Schule, heute hat der
volles Programm bis halb sechs.«
Christine Werkmann dachte kurz nach, dann fragte sie: »Weißt du, wo
er Unterricht hat?«
»Klar, erster Stock, Chemiesaal.«
»Bringst du mich hin, Lukas? Von den zwei Stunden Chemie hängt seine
Schullaufbahn nicht ab.«
Rainer Pietsch ging direkt zur Notaufnahme, den Weg kannte
er ja schon. Sarah war nicht mehr dort, sie war in ein Zimmer im ersten Stock
gebracht worden, wo sie sich
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