Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder

Kinder

Titel: Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seibold
Vom Netzwerk:
es ja
wohl keinen Zweifel mehr geben, oder?«
    Sarah schüttelte langsam den Kopf, sie lehnte sich an ihren Vater,
und der legte seinen Arm um sie.
    »Rico war auch dabei«, sagte sie nach einer Weile.
    »Rico? Welcher Rico?«
    »Das ist ein Typ, der mir schon länger nachschleicht. Nicht von
unserer Schule, und ziemlich nervig. Ich will nichts von dem, und das habe ich
ihm auch schon ein paar Mal gesagt.«
    »Das hast du richtig gemacht«, sagte Rainer Pietsch und drückte sie
behutsam an sich.
    Oder auch nicht, dachte Sarah. O Gott, bin ich womöglich selbst
schuld? Hat Rico nicht gesagt, ich zwinge ihn dazu? Tränen stiegen in ihr auf,
aber sie presste die Lippen fest aufeinander und verbot sich zu weinen.

Nach einer Stunde fuhr Hannes Strobel
mit seinem roten Flitzer von der Autobahn ab und folgte der Wegbeschreibung,
die er sich am Telefon notiert hatte. Jörg Zimmermann erwachte auf dem
Beifahrersitz und sah sich verwirrt um, bis er wieder wusste, wo er war. Es
ging eine Weile auf einer kurvigen Landstraße dahin, dann durch zwei kleine
Ortschaften, und schließlich ließ Strobel seinen Wagen im Hof einer von Wiesen
und Wald umgebenen Ausflugsgaststätte ausrollen. Der letzte Ort, den sie
passiert hatten, lag etwa vier Kilometer hinter ihnen, und der nächste war noch
gut fünf Kilometer entfernt.
    Strobel und Zimmermann stiegen aus. Der Hof war
bis auf Strobels Wagen fast leer – nur ein schwarzer
Van mit verdunkelten Scheiben stand quer im Hof, sodass man die Autokennzeichen
nicht lesen konnte. Neben dem Wagen stand ein Mann Mitte vierzig in dunklem
Anzug, mit Handschuhen und Mütze, und rauchte eine Zigarette. Er nickte ihnen
kurz zu und behielt sie aufmerksam im Auge, bis sie ins Gasthaus gegangen
waren.
    Im Gastraum saß niemand. Auf den großen Tischen
standen Plastikblumen in kleinen, hässlichen Vasen, und an den Wänden hingen
verschiedene Jagdtrophäen. Hinter der wuchtigen Theke stand ein älterer Mann
und polierte Gläser. Als er Zimmermann und Strobel bemerkte, blickte er kurz
auf zwei Fotos, die er sich von innen an die Thekenwand geheftet hatte, schaute
wieder zu ihnen hinüber und nickte wortlos in die Richtung der Tür neben der Theke.
Sie führte zu einem Nebenraum, in dem um drei Tische herum an die zwanzig
Stühle standen. Hinten im Raum, direkt vor einem großen Fenster, das auf den
Wald hinausging, stand ein Rollstuhl mit der Rückenlehne zu ihnen.
    Zimmermann wischte sich die feuchten Hände an der
Hose ab, und langsam ging er neben Strobel auf den Rollstuhl zu. Als sie nur
noch zwei Meter von ihm entfernt waren und durch das schüttere Haar auf den Hinterkopf
des alten Mannes blickten, der regungslos dasaß, blieben sie stehen und
warteten.
    Zunächst geschah nichts, dann kam plötzlich Leben
in den Alten. Er betätigte einige Knöpfe, der Rollstuhl wendete, und der Mann
sah sie wohlwollend an.
    » Wer von Ihnen macht Kampfsport? «
    » Ich « , sagte Strobel. » Taekwon-Do und Karate. «
    » Dachte ich mir. Wer das nicht über Jahre hinweg
verinnerlicht hat, wird immer recht schnell losplappern, anstatt einfach zu
warten, bis die Zeit gekommen ist. «
    Der Vorsitzende wusste natürlich aus seinen
Unterlagen, wer von seinen Gästen Kampfsport betrieb und wer Probleme mit der
Disziplin seiner Schüler gehabt hatte, bevor die Moellers an seine Schule
kamen. Aber das mussten die beiden noch nicht erfahren.
    Er rollte ihnen zu einem der Tische voran, an
dessen Stirnseite kein Stuhl stand, und bat sie links und rechts von ihm auf
den Stühlen Platz zu nehmen.
    » Das Ehepaar Moeller hat Sie mir wärmstens
empfohlen « , begann er schließlich, » und ich konnte mir inzwischen ja auch persönlich ein Bild von
Ihnen beiden machen. Ich habe nun noch ein paar Fragen, danach würde ich Ihnen
beschreiben, was unsere pädagogischen Ansätze so besonders macht. «
    Er musterte die beiden: Zimmermann schwitzte, und
auch Strobel war weit nervöser, als seine brüchige coole Fassade glauben machen
wollte. Er lächelte ein wenig, hier würde er leichtes Spiel haben.
    Und tatsächlich saugten die beiden in den
folgenden drei Stunden alles, was er sagte und erläuterte, auf wie ein Schwamm.
Und sie erlebten, ohne dass es ihnen bewusst geworden wäre, was das Prinzip
Tabula rasa unter den Lehrern von Paedaea bedeutete: Mit geschickten
Manipulationen wischte der Vorsitzende einige ihrer bisherigen Überzeugungen
von ihrer Tafel und schrieb neue hin.
    Als sie nicht einmal mehr bei der Schilderung

Weitere Kostenlose Bücher