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Kinder

Kinder

Titel: Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seibold
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erhofft, sollte es möglich
sein, Franz und Rosemarie Moeller so zu demaskieren, dass auch die euphorischsten
Eltern trotz der guten Noten ihrer Sprösslinge endlich einsehen würden, was für
eine große Gefahr diese beiden Lehrer für die Kinder darstellten.
    Am nächsten Tag bekamen sie Unterstützung von völlig
unerwarteter Seite. Ursel Weber rief an und kündigte ihren Besuch für den
frühen Abend an. Sie kam eine halbe Stunde zu spät, aber es stellte sich
heraus, dass sich das Warten gelohnt hatte.
    Ursel Weber berichtete ihnen, was ihr Sohn Benjamin ihr am Tag zuvor
frühmorgens über den Unfall von Kevin Werkmann erzählt hatte. Sie verabredeten,
dass auch Ursel Weber ihnen dabei helfen würde, die Moellers in die Falle zu
locken – und dass sie ihr Wissen um den Hergang von Kevins Unfall bis dahin für
sich behielt.
    Zwei Tage später hatten Rainer und Annette Pietsch alles
vorbereitet. Das Sommerfest kurz vor dem Ende des Schuljahrs würde den
richtigen Rahmen abgeben, also hatten sie noch etwas Zeit. Von den Eltern, die
sie telefonisch erreicht hatten, wollten drei mitmachen – schon um ihrer toten
Kinder willen. Auch Klara Schulze, die ebenso wütende wie engagierte ehemalige
Elternbeirätin am Internat Cäcilienberg, hatte ihr Kommen zugesagt – aber Annette
Pietsch wollte die Frau im Auge behalten, nicht, dass sie in ihrer sehr
impulsiven Art übers Ziel hinausschoss und so am Ende noch den Erfolg der
ganzen Aktion gefährdete.
    Und schließlich versuchten sie noch einmal, Mertes zu erreichen, erst
zu Hause, dann im Büro. Dort war erst besetzt, dann ging niemand ran, und als
sich schließlich doch jemand meldete, war es nicht Mertes.
    »Kriminalinspektion Wittlich, Kriminaloberkommissar Huber, guten
Tag.«
    Die Stimme war angenehm und hatte den offensichtlich auswendig
gelernten Spruch routiniert, schnell und trotzdem halbwegs verständlich
heruntergeschnurrt.
    »Ich wollte Ihren Kollegen sprechen, Kommissar Mertes. Ist er heute
nicht da?«
    »Mertes?«
    Der Mann am anderen Ende schien zu erschrecken.
    »Nein, Kriminalhauptkommissar Mertes ist nicht zu erreichen. Worum
geht es denn?«
    »Wir … Ich müsste wirklich mit ihm persönlich sprechen.«
    »Geht es um einen Fall?«
    »Nein … wir …«
    Rainer Pietsch verstand zwar nicht, warum dieser Huber ihn so
ausfragte, aber Mertes hatte erwähnt, dass der Fall der toten Internatsschüler
eigentlich längst abgeschlossen war und dass er eher unter der Hand
weiterermittelt hatte.
    »Wir sind private Bekannte von Herrn Mertes«, log er schließlich.
    »Oh, dann …«
    Eine Pause entstand.
    »Herr Mertes ist hier nicht mehr zu erreichen, er …«
    »Ja?«
    »Der Kollege hatte leider einen Autounfall.«
    »Einen Unfall? Um Himmels willen!«
    »Ja, und er …«
    »Schlimm?«
    »Ja.«
    »Ist er … tot?«
    »Ja, tut mir leid, Herr Pietsch.«
    Am anderen Ende war ein Schlag zu hören, es rumpelte in der Leitung,
dann hörte er im Hintergrund Schritte, und der Mann rief nach einer Annette.
    »Herr Pietsch? Hallo? Sind Sie noch dran?«
    Als keine Antwort kam, legte Kriminaloberkommissar Huber auf und
lehnte sich seufzend in seinen Sessel zurück. Warum musste eigentlich die
Durchwahl seines verunglückten Kollegen ausgerechnet auf seinen Anschluss
durchgestellt werden?

Die Bildqualität war schlecht, und
durch die Kopie von VHS auf DVD war sie nicht besser geworden. Immer wieder wackelte die
Handkamera, mit der das Video gemacht worden war – aber als Lehrmaterial taugte der Film noch ebenso gut wie damals, als er vor
rund dreißig Jahren entstand.
    Ein Mann mittleren Alters stand vor dem
Nebeneingang eines älteren und offenbar großen Gebäudes und sprach mit Blick in
die Kamera.
    » Paedaea wurde 1952 gegründet, zu den ersten
Mitgliedern gehörten Studenten verschiedener Pädagogischer Hochschulen, die das
damalige Schulsystem als nicht effizient genug ansahen. Unser Ziel ist damals
wie heute dasselbe: Wir wollen Kindern, die dazu befähigt sind, den Weg an die
Spitze unserer Gesellschaft und in die wichtigsten Führungspositionen ebnen – und damit auch der Gesellschaft insgesamt helfen. Ja, wir wollen
eine Elite formen, aber davon haben auch all diejenigen etwas, die nicht zu
dieser Elite zählen – aber doch zu der Gesellschaft,
die von der Elite in eine bessere Zeit geführt wird. «
    Der Mann sprach im Tonfall eines Missionars, er
sprach ohne Manuskript und Notizzettel – was ihm die
Möglichkeit gab, den Zuschauer immer direkt

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