Kinder
bestätigen, was ich Ihnen
gesagt habe!«
»Kann Sie das? Ihre Tochter sagt kein Wort seit diesem Tag, und
vielleicht ist der Schock, der sie verstummen ließ, ein ganz anderer als ›nur‹
die beinahe erfolgte Vergewaltigung. Vielleicht hat sie ja immer noch Angst –
weil die Bedrohung noch immer in ihrer unmittelbaren Nähe ist.«
Annette Pietsch wollte sich auf Kersting stürzen, doch Müller hielt
sie auf. Sie sackte weinend in den Armen des Polizisten zusammen und trommelte
kraftlos auf seine Schultern ein.
»Kommen Sie mit, Herr Pietsch, machen Sie es uns allen nicht so
schwer«, drängte Kersting, und langsam ließ Rainer Pietsch den Kopf sinken und
ging zu dem Beamten hinunter.
Als Kersting Anstalten machte, Pietsch Handschellen anzulegen,
ertönte am oberen Ende der Treppe ein spitzer Schrei. Alle sahen hinauf: Oben
stand Sarah, in Slip und weitem T-Shirt, mit verwuschelten Haaren und weit aufgerissenen
Augen. Sie schrie, wieder und wieder. Annette Pietsch sah Müller flehend an,
der ließ sie los, und die Mutter eilte die Treppe hinauf zu ihrer schreienden
Tochter.
»Warten Sie bitte noch kurz, bis das Mädchen wieder in ihrem Zimmer
ist«, raunte Müller dem Kollegen zu. Rainer Pietsch stand mit feuchten Augen
da, wehrte sich nicht und sah traurig zu seiner Tochter hinauf.
Annette Pietsch streichelte dem Mädchen über den Kopf und wiegte
Sarah sanft in ihren Armen.
»Die dürfen das nicht«, schluchze Sarah ihrer Mutter ins Ohr. »Die
dürfen Papa doch nicht mitnehmen. Er hat mich doch gerettet! Wenn er nicht
rechtzeitig gekommen wäre, hätte mich Rico …«
Der Rest des Satzes ging wieder im Schluchzen unter.
Annette Pietsch sah zu den Männern hinunter.
»Herr Kersting, Sie sollten sich vielleicht zunächst einmal anhören,
was meine Tochter Ihnen zu sagen hat.« Sie strich Sarah einige Strähnen aus dem
Gesicht. »Geht das? Kannst du mit den Polizisten reden?«
Sarah nickte und schniefend folgte sie ihrer Mutter die Treppe
hinunter.
Franz Moeller legte die Planskizze vor sich auf den Tisch.
Der Pausenhof war eingezeichnet, die Zugänge, die große Ulme und das
Schulgebäude selbst.
»Hier«, sagte er und tippte mit seinem Stift auf eine Ecke des
Gebäudes, »hier ist die Aula. Da finden die Aufführungen statt, falls es
regnet. Das heißt: Wir können dort alles deponieren, aber wir müssen darauf
gefasst sein, ein bisschen improvisieren zu müssen, falls das Wetter schlechter
wird.«
Rosemarie Moeller ging den Plan noch einmal in Ruhe durch, dann warf
sie einen letzten Blick auf die Skizze – und stand auf.
»Das kriegen wir hin, kein Problem.«
»Und wie erklären Sie die DNA -Spuren
überall am Körper Ihrer Tochter?«
Rainer Pietsch dachte nach.
»Die müssen dorthin gekommen sein, als ich meine Tochter aus den
Büschen holte. Sie hat wie wild an sich herumgerieben, als wolle sie sich den
ganzen Schmutz und die ganzen Berührungen abwaschen – da habe ich mir nicht
anders zu helfen gewusst, als ihre Handgelenke festzuhalten, um sie zu stoppen,
und dann beruhigend auf sie einzureden. Dann habe ich ihr geholfen, sich wieder
zu bedecken. Sie hatte Dreckkrümel überall, die habe ich abgewischt – dabei
habe ich wahrscheinlich auch ihren Busen und die Oberschenkel berührt, das weiß
ich aber nicht mehr so genau.«
»Und dann«, meldete sich auch Sarah noch einmal zu Wort, »wollte ich
mir die Hose wieder hochziehen, und mein Vater hat dafür meinen Po ein wenig
angehoben.«
Kersting sah zwischen den beiden hin und her.
»Ja«, sagte er nach einigem Überlegen. »So wird es gewesen sein.«
Er sah Müller an, dann wieder Annette, Rainer und Sarah Pietsch.
»Herr Pietsch, ich muss mir doch keine Sorgen machen, dass Sie
plötzlich spurlos verschwinden, oder?«
»Ich habe Familie, Herr Kersting, wo soll ich denn hin?«
Kersting dachte noch einmal nach, dann nickte er, steckte die
Handschellen wieder weg und ging mit Müller aus dem Haus. Ein paar Minuten lang
hörten sie noch Rufe, startende und davonfahrende Autos – und zwei, drei Haustüren,
die in der Nachbarschaft zufielen.
Dann herrschte wieder Stille. Sarah Pietsch schob ihre beiden Eltern
dicht nebeneinander, legte ihre Arme um sie beide und lehnte sich an sie.
Kriminaloberkommissar Huber vertrat die Kriminalinspektion
Wittlich während der Untersuchungen zu den Todesumständen von
Kriminalhauptkommissar Stefan Mertes, und weil er sich nicht nur außerhalb
seines Zuständigkeitsbereichs, sondern in Limburg an der
Weitere Kostenlose Bücher