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Kinder

Kinder

Titel: Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seibold
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die Rolle, die Rosemarie Moeller für das
Verhalten einiger seiner Klassenkameraden spielte.
    Ganz schlau wurde er nicht aus dem, was er hörte, aber als er bald
darauf wieder nach oben huschte, schlief er etwas schneller ein als sonst.
Immerhin schien es nun möglich, dass er seinen Eltern irgendwann die ganze
Wahrheit über Kevins Unfall verraten konnte, ohne dass sie ihn für verrückt
halten würden.
    Hendrik saß auf dem Klettergerüst auf der untersten Stufe
und sah Sarah schon von Weitem herankommen. Er mochte das Mädchen, und dafür,
dass sie sich näher kennengelernt hatten, weil sie sich beide Sorgen um Sören
machten, war er seinem Freund – oder ehemaligem Freund? – dankbar.
    »Hi, Hendrik!«
    Sarah kam schnell näher, und sie schien gute Laune zu haben. Hendrik
stand auf und ging ihr ein paar Schritte entgegen.
    »Na, guter Tag heute?«, fragte er und strahlte das Mädchen an.
    »Bisher schon – wollen wir mal hoffen, dass es so bleibt.«
    »An mir soll’s nicht scheitern«, grinste Hendrik und begleitete sie
zur Schaukel. Sie setzte sich auf das schmale Brettchen, sah ihn lächelnd an
und er gab ihr ein paar Mal Schwung, indem er sich vor sie stellte, sie an den
Oberarmen nach hinten schubste und dann schnell zur Seite sprang. Einmal sprang
er zu spät weg und Sarah stieß im Vorwärtsschwung gegen ihn, woraufhin er nach
rückwärts stolperte und lachend auf dem Rasen sitzen blieb. Sarah sprang
geschickt aus der Schaukel, landete direkt vor ihm auf dem Gras und hielt ihm
beide Hände hin, um ihm hochzuhelfen. Er nahm ihre Hände, ließ sich von ihr
hochziehen und kam direkt vor ihr zum Stehen. Kurz waren ihre Gesichter nur
eine Handbreit voneinander entfernt, und sie sahen sich tief in die Augen, dann
räusperte sich Sarah und rannte lachend zum Klettergerüst hinüber, dicht
gefolgt von Hendrik.
    Als Rico sich langsam rückwärts aus dem dichten Busch am Rand des
Spielplatzes herauszwängte, hatte er einen dicken Kloß im Hals. Also war es
doch richtig gewesen, der offensichtlich so aufgekratzten Sarah bis hierher zu
folgen.
    Mit der Internetseite der Telefonauskunft kam sie nicht
besonders gut zurecht. Teils, weil Christine Werkmann am Computer ohnehin nicht
die Geschickteste war, teils, weil sie noch immer den Wein vom Vorabend spürte
und mit den Fingern nicht jedes Mal die richtige Taste traf. Dann aber hatte
sie die Adresse auf dem Bildschirm und druckte sie aus. Die Straße kannte sie,
mit dem Auto waren es keine fünf Minuten. Sie hauchte kurz in die hohle Hand, erschnüffelte
den Geruch von etwas altem Wein – und beschloss, lieber zu Fuß zu gehen.
    Im Dunkeln ging sie los, und als sie quer durch den Park und einige
Blocks weiter gegangen war, schlug eine Kirchturmuhr in der Nähe sechs. Sie sah
noch einmal auf den Ausdruck. Auf dem zerknitterten Papier war die Druckertinte
inzwischen etwas verwischt, aber die Hausnummer war noch leidlich lesbar.
Christine Werkmann suchte an den Gebäuden neben sich nach der Nummer, zählte in
Gedanken bis zur gesuchten Hausnummer weiter und marschierte los.
    Die kühle Luft tat ihr gut, die trüben Gedanken konnte sie aber
nicht verscheuchen. Und eigentlich wusste sie gar nicht, was sie hier wollte.
Was sie sich davon versprach, sich vor dem Haus aufzustellen und zu warten, bis
einer der beiden auf die Straße trat.
    Sie war auf dem Gehweg an der gegenüberliegenden Straßenseite
unterwegs, und als sie auf Höhe des gesuchten Gebäudes angekommen war, stand
sie neben einem Betonkasten. Sie sah sich um, stellte sich dann hinter den Betonkasten,
der ihr etwas Sicherheit gab – notfalls konnte sie sich hinter diesen Kasten
ducken, wenn sie der Mut verließ.
    Dann stand sie da, einfach nur da, stumm, und versuchte, ihre wild
durcheinanderwirbelnden Gedanken zu ordnen. Was machte sie eigentlich hier? Und
falls sie der Mut verließ – der Mut wozu sollte das überhaupt sein?
    Von Zeit zu Zeit waren die Glocken der Turmuhr wieder zu hören, ab
und zu kam jemand aus dem Gebäude oder einem der Häuser rundum. Ein Mann in den
Fünfzigern sah kurz irritiert zu ihr hin, die anderen eilten zu ihren Autos
oder den Gehweg entlang, ohne nach links oder rechts zu blicken. Dann,
plötzlich, stand Rosemarie Moeller in der Tür. Der Anblick der hageren Gestalt
im langen Mantel lähmte Christine Werkmann bis in die Fußspitzen. Völlig
unbeweglich stand sie da, stocksteif, den Blick wie gebannt auf die
gegenüberliegende Haustür gerichtet.
    Rosemarie Moeller sah die

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