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Kinder

Kinder

Titel: Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seibold
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Straßenlaternen am gegenüberliegenden Ufer spiegelte, und
erinnerte sich an die Nacht, als er hier versucht hatte, sein Leben zu beenden.
Manchmal, wenn er zwischen den Büschen ein Auto stehen sah, überlegte er, ob es
dasselbe wie damals sein könnte. Aber weder hatte er sich die Marke des Wagens
gemerkt, noch nahm er an, dass sein Auftritt den beiden damals Lust darauf
gemacht hatte, sich ausgerechnet hier noch einmal zu treffen.
    Anders als damals hatte er nun auf seinen Wanderungen durch die
Nacht nichts dabei. Kein Seil, keinen Karabiner, keinen Rucksack. Einmal war er
vom Ufer aus zwei, drei vorsichtige Schritte ins Wasser hineingegangen, aber
auf dem ganzen Weg nach Hause war er in seinen Schuhen hin und her gerutscht
mit seinen pitschnassen Socken, und am nächsten Tag hatte er zwei große und
schmerzhafte Blasen an seinen Füßen – also blieb er von da an lieber im
Trockenen.
    Benjamins Schrei gellte kurz vor vier durchs Haus. Ursel
Weber war im Nu aus dem Bett und hetzte hinüber ins Kinderzimmer, ihr Mann
folgte ihr etwas langsamer, aber nicht weniger besorgt. Als sie beide an
Benjamins Bett standen und mit wirren Haaren und feuchten Augen auf ihn
hinuntersahen, blinzelte der Junge und sah seine Eltern verwundert an.
    »Schon wieder?«, fragte er schließlich, als ihm klar wurde, dass er
wohl wieder im Schlaf geschrien hatte.
    »Ja, schon wieder«, sagte Ursel Weber und setzte sich auf die
Bettkante. Achim Weber stand noch kurz unschlüssig im Zimmer, dann nickte er
Benjamin aufmunternd zu und trollte sich zurück ins Bett.
    »Hast du schlecht geträumt?«, fragte Ursel Weber und drückte
Benjamins Hände.
    Der Junge nickte.
    »Und immer dasselbe?«
    Benjamin nickte noch einmal.
    »Der Unfall, oder?«
    »Ja, Mama.«
    Stumm saßen sie eine Weile beisammen, Benjamin mit dem Rücken gegen
sein Kissen gelehnt, seine Mutter zu ihm hingebeugt, ihre Finger fest um seine
Hände geschlossen.
    »Magst du mir nicht doch erzählen, was du gesehen hast?«
    Benjamin sah sie an, ein Schuss Panik schimmerte in seinem Blick
auf. Dann presste er die Lippen aufeinander und schüttelte heftig den Kopf.
    »Warst du denn so nah dran?«
    Benjamin schluckte, wich dem Blick seiner Mutter aus und starrte zum
Fenster hinaus.
    »Irgendwann wirst du es uns erzählen müssen«, sagte Ursel Weber
schließlich beruhigend, »sonst wird die ganze Sache dich immer weiter quälen.«
    Benjamin drehte ihr wieder das Gesicht zu, sah sie lange
nachdenklich an, dann begann sein kleiner Körper zu beben. Er riss seine
schweißnassen Hände los, warf sich herum und blieb mit dem Rücken zu seiner
Mutter zitternd liegen. Ursel Weber blieb lange sitzen, dann stand sie auf, sah
noch einmal zu ihrem Sohn hinüber und ging schließlich leise zurück ins
Schlafzimmer, wo ihr Mann ruhig ein- und ausatmete und dabei leise schnarchte.
Sie wickelte sich in ihre Decke, legte sich auf die Seite und versuchte wieder
einzuschlafen.
    Dieser Pietsch hat Nerven, ging es ihr immer und immer wieder durch
den Kopf. Wir sollen der Werkmann helfen – und wer hilft uns? Seit diesem
verdammten Unfall geht hier im Schlafzimmer gar nichts mehr. Und können wir
vielleicht etwas für Kevins Tod?
    Wütend zog sie sich die Decke bis unters Kinn, aber sie war noch
immer wach, als sich kurz vor sechs der Radiowecker einschaltete.
    Dass Rico die beiden kennenlernte, war purer Zufall. Er
hatte wieder einmal in der Nähe der Schule darauf gewartet, dass sich Sarah
nach dem Unterricht auf den Weg zur Bushaltestelle machte. Da schlenderten
Tobias und Marc auf den Ausgang zu, neben dem er stand. Ganz in seiner Nähe
wurden sie von einem anderen Jungen überholt, der sie im Vorbeigehen nur böse
anfunkelte und offensichtlich vor allem Tobias damit einen gehörigen Schrecken
einjagte.
    Den anderen kannte er: Das war Sarahs jüngerer Bruder Michael, den
er ab und zu mal mit Sarah zusammen auf den Bus hatte warten sehen. So mürrisch
und feindselig wie heute hatte er diesen Michael allerdings bisher noch nicht
erlebt – und auf den bloßen Verdacht hin, vielleicht zwei Verbündete für seine
Pläne mit Sarah zu finden, sprach er Tobias an.
    »Na, Angst vor dem kleinen Michael?«
    »Angst? Wir? Quatsch!«, sagte Marc, musterte den Jugendlichen aber
misstrauisch. »Woher kennst du Michael überhaupt? Du bist nicht hier an der
Schule, oder?«
    »Hey, du solltest Talkmaster werden oder so was – du kannst ja kaum
laufen vor lauter Neugier.«
    »Ha ha, sehr witzig. Und jetzt erzähl:

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