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Kinder

Kinder

Titel: Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seibold
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Schule war es noch zu früh,
auch Bäcker oder Metzger hatten noch nicht geöffnet. Sören dachte kurz nach,
dann machte er sich daran, Franz Moeller zu verfolgen.
    Der Regen klatschte laut gegen ihr Schlafzimmerfenster.
Nach einer Weile setzte sich Christine Werkmann auf, schaltete den Radiowecker
aus und schlurfte zum Bad hinüber. Sie trank Wasser direkt aus dem Hahn, brach
sich in der Küche ein Stück Knäckebrot ab und ging dann kauend zurück ins
Schlafzimmer, um sich neue Kleider aus dem Schrank zu nehmen.
    Beiläufig warf sie einen Blick zum Fenster hinaus – und erstarrte
mitten in der Bewegung: Unten auf der anderen Straßenseite stand Franz Moeller
und starrte zu ihrem Fenster hinauf. Ein Zittern ging durch ihren Körper, ihre
Augen brannten, die Leuchtanzeige des Radioweckers verschwamm, aber sie wusste
auch so, dass es erst kurz vor sechs war.
    »Dort unten?«
    Rainer Pietsch sah kurz zum Fenster hinaus, auf der anderen
Straßenseite ging eine ältere Dame mit einem kleinen Hund vorüber, sonst lag
der Gehweg im fahlen Licht des späten Nachmittags leer vor ihm.
    »Ja, dort unten.«
    Er kam zurück zum Tisch, ließ sich von Christine Werkmann Kaffee
nachschenken und sah möglichst unauffällig zu seiner Frau hinüber. Sie
schüttelte ganz leicht den Kopf, als wolle sie ihm zu verstehen geben, Kevins
Mutter nur ja nicht zu widersprechen.
    »Und jeden Morgen?«
    »Nein«, sagte Christine Werkmann und schob sich noch eine Gabel
Kuchen in den Mund. »Nicht jeden Morgen, zumindest fällt es mir nicht jeden
Morgen auf. Aber auch nicht nur morgens, sondern auch spätabends stehen die da
unten. Mal er, mal sie. Und immer stehen sie nur da und starren herauf.«
    Annette Pietsch überlegte fieberhaft, was sie dazu nun am besten
sagen konnte.
    »Die machen mich fertig«, fügte Christine Werkmann noch hinzu, legte
die Gabel weg und sah mit flackerndem Blick über ihre beiden Gäste hinweg an
die Wand.
    »Und warum sollten die Moellers so etwas tun?«, fragte Rainer
Pietsch nach einer Weile, und er versuchte, ganz ruhig und ernsthaft zu
klingen, obwohl diese ganze Geschichte eigentlich nur albern war. Ganz
offensichtlich trank Christine Werkmann seit dem Tod ihres Sohnes mehr, als ihr
guttat.
    Aber warum sollte sie etwas so Seltsames erfinden? Rainer Pietsch
stand noch einmal auf und sah durchs Fenster nach unten. Sich vorzustellen,
dass dort drunten in der Dunkelheit einer der beiden Lehrer stand und stumm
nach oben schaute …
    Er bekam eine Gänsehaut.
    Lukas wartete seit geraumer Zeit. Heute wollten seine
Eltern wohl gar nicht mehr ins Bett. Irgendwann huschte er aus seinem Zimmer,
obwohl er ihre Stimmen unten noch hörte. Er lauschte. Die beiden unterhielten
sich. Worüber, konnte er nicht verstehen, aber das Thema schien sie
aufzuwühlen. Oben war alles ruhig, Sarah und Michael schliefen vermutlich
schon.
    Langsam schlich er sich hinüber ins Elternschlafzimmer, öffnete den
Schrank, streckte sich und zog die Plastiktüte mit dem aufgesparten Wechselgeld
hervor. Er hielt zwei Fünf-Euro-Scheine mit der linken Hand umklammert, leise
steckte er das Geld in die Tüte und schob selbige wieder an ihren alten Platz.
Marius und seine Kumpels wollten offensichtlich kein Geld mehr von ihm, und es
war ihnen ja auch wirklich nicht zu empfehlen, sich weiter mit ihm anzulegen –
nach allem, was er von ihnen wusste. Nun musste er nur noch die beiden
Geldscheine unten in die Suppenschüssel mit den Geburtstagsgeschenken
zurücklegen, dann war alles vorbei.
    Es fühlte sich gut an.
    Lukas lächelte und drehte sich um. Vor ihm in der geöffneten Tür
stand Sarah.
    »Was machst du denn hier?«
    Christine Werkmann wusste genau, dass die Pietschs ihr
nicht glaubten. Sie nahm ihr Weinglas und ging wieder ins Schlafzimmer, um
hinunterzusehen auf die Straße und den gegenüberliegenden Gehweg. Weit und
breit niemand. Sie sah auf die Uhr: schon nach elf. Sie öffnete das Fenster,
stellte das Glas auf dem Fensterbrett ab und beugte sich ein wenig hinaus. Die
Luft war kalt, und die Stadt schien allmählich zur Ruhe zu kommen.
    Nach einer Weile torkelten zwei junge Männer vorbei, die sich
gegenseitig stützten, gelegentlich ins Stolpern gerieten und dann lachend
weitertorkelten. Kurz darauf waren sie um die nächste Ecke verschwunden.
    Christine Werkmann hob ihr Glas, als würde sie der leeren Stelle
unten auf dem Gehweg zuprosten, und nahm einen tiefen Schluck. Sie schloss die
Augen und versuchte für eine Weile an gar nichts zu

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