Kinderfrei
zuzurechnen sind. So berücksichtigt das Institut für Weltwirtschaft beispielsweise das Ehegattensplitting, die Deutsche Bundesbank jedoch nicht. So oder so sind die Beträge beachtlich. Was die Ressourcen angeht, benötigen wir Wasser, Nahrung, Wohnraum, Straßen und sonstige Infrastruktur. Wir nehmen kulturelle Angebote in Anspruch, verbrauchen Energie, produzieren Abfall, verschmutzen die Luft. Als Baby hat jeder von uns statistisch gesehen zwischen 6000 und 8000 Papierwindeln verbraucht. Das entspricht einem Abfallberg von etwa 1400 kg, der sich erst nach ca. 200 Jahren zersetzt. Für die Herstellung des benötigten Zellstoffkerns müssen pro Baby rund 4–5 Bäume gefällt werden. Allein für den Bedarf in Deutschland sind das rund 950 km 2 Waldfläche (ungefähr die Fläche der Insel Rügen).
Alles in allem lässt sich günstigstenfalls sagen, dass wir der Gesellschaft, sofern wir ordnungsgerecht unsere Steuern und Sozialabgaben abführen, etwa so viel zurückgeben, wie wir von ihr nehmen. Ich betone, günstigstenfalls, von der Naturausbeutung durch unseren Lebensstil möchte ich an dieser Stelle nicht sprechen. Ist also Elternschaft, d. h. die Vermehrung der Erdenbürger, immer noch als nur uneingeschränkt positiv zu bewerten? Offensichtlich ja, denn unbeirrt wird weiterhin behauptet, die Familienförderung zahle sich für den Staat aus. So erklärte das ifo Institut für Wirtschaftsforschung in einer Erhebung aus dem Jahr 2005, dass die Erziehung eines Kindes in Deutschland per saldo mit dem »Transfer eines kleinen Vermögens an den Staatshaushalt« 24
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verbunden sei. Es wurde ein Überschuss gezahlter Steuern und Beiträge über die erhaltenen öffentlichen Leistungen von rund 77 000 Euro ermittelt. Dieser resultiert hauptsächlich aus den erwarteten Beiträgen zu gesetzlichen Versicherungen sowie Einkommens- und Verbrauchssteuerzahlungen. 25
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Das dürfte wohl die Mutter aller Milchmädchenrechnungen sein, und zwar aus mehreren Gründen: Erstens besteht, wie wir gesehen haben, keinerlei Gewähr dafür, dass aus dem Kind von heute tatsächlich der Beitragszahler von morgen wird. Wer behauptet, dass sich Familienförderung in Form zukünftiger Beitragszahler auszahlt, der kann auch gleich Lottospielen als sichere finanzielle Investition in die Zukunft empfehlen. Zweitens ist es Unsinn zu sagen, die Familien zahlten ihre Förderung durch ihre eigenen Steuern und Beiträge zurück. Natürlich trifft das zu einem Teil zu, nur: Wenn sie keine Förderung erhielten, bräuchten sie auch nichts zurückzuzahlen. Es ist ein wenig so, als würde ich meinem Cousin 80 Euro bezahlen, damit er mir die Wohnung tapeziert, und zwei Wochen später schenkt mir derselbe Cousin 50 Euro zum Geburtstag. Davon abgesehen ist es – Stichwort »Verbrauchssteuern« – ein weiteres Zeichen der moralischen Diskriminierung Kinderfreier, wenn Eltern genau das zugute gehalten wird, was den Kinderfreien als Zeichen ihres Egoismus und Materialismus gerne angekreidet wird: der erhöhte Konsum. Drittens dürfte es mittlerweile offensichtlich geworden sein, dass hohe Transferleistungen an Familien nicht zu mehr Geburten führen. Mehr noch, es gibt keinerlei empirische Belege dafür, dass das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein oder die Höhe von Familienförderung irgendeinen signifikanten Einfluss darauf hat, ob die Menschen Kinder bekommen oder nicht. Dies legt auch ein Blick auf die Entwicklung der Kindergeldzahlungen in der Bundesrepublik nahe. Erst ab 1975 erhielten Familien überhaupt Kindergeld bereits ab dem ersten Kind (davor erst ab dem dritten bzw. seit 1961 ab dem zweiten), wobei gleichzeitig der damalige Steuerfreibetrag abgeschafft wurde. Die Höhe des Kindergelds veränderte sich jahrzehntelang kaum und war verhältnismäßig gering: 1975–1991 lag das Kindergeld bei 50 DM (für das erste Kind), 1992 fand eine Erhöhung auf 70 DM statt, und erst 1996 erfolgte ein sprunghafter Anstieg auf 200 DM. Seitdem wurde die Zahlung regelmäßig erhöht. Auswirkungen auf das Zeugungs- und Gebärverhalten hatten all diese finanziellen Anreize offensichtlich nicht.
Im Übrigen mag man zwar vielleicht darüber streiten, ob das Kinderkriegen nun stets oder nur manchmal oder überhaupt nicht als positiver und möglicherweise förderungswürdiger Beitrag zu sehen ist. Fest steht jedoch, dass es keinesfalls der einzige Beitrag ist, an dem der Staat ein Interesse haben muss. Ohne einzelnen Berufsgruppen zu nahe treten
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