Kinderfrei
zu wollen, so gibt es doch bestimmte Berufe, die unsere Gesellschaft als besonders wichtig erachtet. Ärzte, Krankenschwestern und Lehrer sind ein klassisches Beispiel hierfür. Zu denken ist auch an Polizisten und Richter. Wir brauchen Ingenieure, wir brauchen Bäcker und, der Mensch lebt ja nicht vom Brot allein, wir brauchen auch Künstler. Sicher ließe sich die Liste beliebig fortsetzen oder verändern. Entscheidend ist: Es gibt zahlreiche Tätigkeiten, an denen der Staat ein berechtigtes Interesse hat. Warum also gibt es keine gesonderte niedrigere Steuerklasse oder einen dem Kindergeld entsprechenden Zuschuss für Ingenieure oder Ärzte? Warum gibt es keine staatliche Förderung während des Medizinstudiums oder der Krankenschwesternausbildung? Der Einwand, Kinder kosteten die Eltern schließlich Geld, verfängt nicht, da Tatbestände wie Kindergeld oder auch günstigere Steuerklassen unabhängig vom Einkommen der Eltern sind. Warum gibt es eine Regelung wie Elternzeit und Elterngeld nicht für Paare, die für einen bestimmten Zeitraum beruflich kürzertreten und sich dafür verstärkt gemeinnützigen Aufgaben widmen wollen? Warum werden wir nicht, ähnlich wie in Bezug auf die angeblich zu niedrige Geburtenrate (siehe Kapitel 7), in regelmäßigen Abständen mit Artikeln überflutet, in denen über die Motive derjenigen gerätselt wird, die sich dem Lehrerberuf »verweigern«? Am besten wäre, man unterstellt diesen Defätisten darin gleich pauschal, Egoisten zu sein, weil sie sich nicht der Aufgabe stellen, die nächste Generation auszubilden, und stellt Maßnahmen vor, wie junge Menschen mit einer Mischung aus Strafandrohungen und finanziellen Anreizen zum Lehramtsstudium gedrängt werden könnten.
In diesem Zusammenhang soll zu guter Letzt auf eine Tatsache verwiesen werden, die vor lauter Fixierung auf die K-Frage oft völlig ignoriert wird: Eltern sind auch Menschen. Wenn Sie an die Helden Ihrer Jugend – Musiker, Sportler, Filmstars – zurückdenken: Wussten Sie, ob diese auch Kinder hatten? Hat es Sie überhaupt interessiert? Eltern sind, ebenso wie Kinderfreie, auch Töchter und Söhne, Enkel und Geschwister, Nachbarn, Freunde und Kollegen. Sie sind Mediendesigner, Klempner, Ärztinnen, Postboten, Schreiner, Architekten, Krankenschwestern, Anwälte, Piloten, Landwirte. Sie sind Wissenschaftler, Unternehmerinnen, Musiker, Sportler, Schauspieler, Schriftstellerinnen. Sie trainieren die Jugendfußballmannschaft, singen im Kirchenchor, geben in der »Tafel« Essen an Bedürftige aus oder führen Tierheimhunde Gassi. All dies tun sie nicht in ihrer Eigenschaft als Eltern, sondern in ihrer Eigenschaft als Menschen und Bürger dieses Landes. Wenn sie nun ständig auf ihren Status als Eltern reduziert werden, wenn von all ihren Leistungen einzig und allein die Elternschaft als positiver Beitrag erwähnt und gewürdigt wird: Welchen Schluss sollen sie daraus ziehen? Doch wohl nur den, dass ihre Fähigkeiten und Talente, ihre Erfolge und ihr Engagement nichts, aber auch gar nichts zählen im Vergleich zu der Tatsache, dass sie sich fortgepflanzt haben. Also warum nicht gleich alles bleiben lassen? Los, liebe Eltern: Kündigen Sie Ihre Stelle, machen Sie Ihren Betrieb dicht, schmeißen Sie Ihr Ehrenamt hin. Gehen Sie nach Hause und vögeln Sie, was das Zeug hält (aber bitte ohne Verhütung).Vater Staat wird es Ihnen danken.
Vater werden ist keine Leistung
Paul, 43, lebt zusammen mit seiner langjährigen Lebensgefährtin in Bayern und arbeitet als Lehrer im Bereich der Erwachsenenbildung.
In meinen Zwanzigern dachte ich einmal eine Zeit lang, dass ich Vater werden würde, weil meine damalige Freundin den Verdacht hatte, schwanger zu sein. Wenn das der Fall gewesen wäre, und sie hätte sich entschieden, das Kind zu behalten, dann wäre ich selbstverständlich bei ihr geblieben und hätte mich um das Kind gekümmert, beziehungsweise wenn wir uns getrennt hätten, wäre ich im Leben des Kindes präsent geblieben. Das ist so eine grundsätzliche Sache: Wenn aus Sex ein Kind entsteht, selbst wenn es ein One-Night-Stand war, dann würde ich immer meinen Teil der Verantwortung übernehmen und mich bemühen, dem Kind ein Vater zu sein. Aber ich bin froh, dass es nicht so gekommen ist. Ich hatte nie den Wunsch nach Kindern und liebe mein Leben so, wie es ist. Ich lebe seit zwölf Jahren in einer festen Beziehung mit einer ebenfalls kinderfreien Frau. Wir haben zwei Hunde, und lange Zeit war ich aktiv im
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