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Kinderfrei

Kinderfrei

Titel: Kinderfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Huber
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spezialisiert haben, und Männer fühlen sich durch die Existenz reiner Frauencafés oder Frauendiscos in der Regel nicht diskriminiert. Wenn es so verwerflich ist, Kinder von einem Leistungsangebot auszuschließen, dann müssten wir wohl auch die Hersteller alkoholischer Getränke oder die Betreiber von Nachtclubs oder Spielcasinos als kinderfeindlich verurteilen und die Aufführung von Filmen oder Theaterstücken, die für ein jüngeres Publikum ungeeignet sind, für diskriminierend gegenüber Kindern halten.
    Gerade der Fall in Kraiburg illustriert eine unangenehme Folge der Propaganda, dass allein schon der Akt der Fortpflanzung eine großartige Leistung darstellt. Manche Eltern der jüngeren Generationen haben sich diese Auffassung offensichtlich zu Herzen genommen und denken, sie könnten sich die mühevolle Erziehungsarbeit daher sparen, sie und ihre Kinder müssten niemals und in keiner Situation irgendjemandem gegenüber Rücksicht walten lassen und seien über jede Kritik erhaben. Ein Verhalten, das wahrlich nicht nur bei Kinderfreien, sondern auch bei vielen anderen Eltern auf wenig Verständnis stößt.
    Die größte Gefahr einer pronatalistischen Kultur besteht jedoch in der Einschränkung der Entscheidungsmöglichkeiten. Das mit Kindern verbundene Glücksversprechen führt häufig dazu, dass ein Kind als bequemes Allheilmittel für die verschiedensten Probleme und Bedürfnisse angesehen wird. Einsamkeit, Unzufriedenheit im Beruf oder in der Partnerschaft, ein Gefühl der Leere, der Wunsch, Zuwendung zu schenken, die Suche nach einem Lebenssinn, das Bedürfnis nach Kreativität, der Wunsch nach sozialer Anerkennung und einem Gefühl der Zugehörigkeit werden nur allzu leicht als Kinderwunsch interpretiert. So werden andere, im Einzelfall möglicherweise besser geeignete Lösungswege und Gestaltungsmöglichkeiten für das eigene Leben von vorneherein nicht in Erwägung gezogen. Wo Elternschaft als eine Lebensform verkauft wird, die grundsätzlich für jeden geeignet und erstrebenswert ist, schlittern immer wieder Menschen in ein »kindgesegnetes« Dasein, obwohl sie bei objektiver Betrachtung ihrer persönlichen Stärken und Schwächen, Vorlieben, Abneigungen und Werte davon eher Abstand genommen, d. h. sich für eine alternative Lebensform entschieden hätten. Doch solch selbstkritische Betrachtungen werden meist gar nicht erst angestellt. Zu stark ist die pronatalistische Propaganda. Die Folge: Das Nachdenken über die tatsächlichen Motive für eine Schwangerschaft und die eigenen Bedürfnisse wird in unserer Kultur weder gefordert noch gefördert, sondern ist im Gegenteil unerwünscht.
    Damit wäre wieder einmal eindrucksvoll bewiesen, dass kohärentes Denken der Familienideologen Sache nicht ist. Einerseits wird Elternschaft als »Schwierigster Job der Welt« und als »Wichtigster Job der Welt« überhöht, andererseits wird jeder Einzelne von uns dazu angehalten, ohne Rücksicht auf individuelle Fähigkeiten und Neigungen einfach mal fröhlich sein Glück zu versuchen. Einziges Qualifikationserfordernis: funktionsfähige Fortpflanzungsorgane. Doch, stopp, dank der modernen Reproduktionstechnik braucht es ja nicht einmal das. Und dann wundern wir uns noch, was dabei unter Umständen herauskommen kann: schlecht erzogene Kinder, überforderte Eltern und Kindesmisshandlung.
    Damit, das möchte ich ausdrücklich betonen, soll nun auf keinen Fall behauptet werden, dass jeder Kinderwunsch das Ergebnis von Gehirnwäsche oder sozialem Druck ist. Unzweifelhaft jedoch findet eine starke kulturelle Beeinflussung statt, die es erschwert, authentische Wünsche von künstlich herbeigeführten zu unterscheiden. Es ist wichtig, sich das Vorhandensein dieser Manipulation überhaupt erst einmal bewusst zu machen, um wirklich selbstbestimmte Entscheidungen treffen zu können. Dieses Bewusstsein ist zugleich der erste Schritt auf dem Weg zur Überwindung des Pronatalismus – und der sollte dringend überwunden werden. Nicht nur, weil die Glorifizierung von Elternschaft und die Abwertung von Kinderfreiheit die Realität verzerrt, und nicht nur, weil er im Kern menschenverachtend ist, sondern weil er, wie wir gleich sehen werden, der Lösung der drängenden Probleme des 21. Jahrhundert im Weg steht, ja diese Probleme sogar noch vergrößert.

Glücklich kinderfrei
    Phoena, 36, verheiratet, aus Texas, war in den 1990er-Jahren als Verwaltungsangestellte mit der US-Armee in Deutschland stationiert. Sie betreibt die Webseite

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