Kinderfrei
geschuldet ist oder auf einer bewussten Entscheidung beruht, und erst recht nicht, ob die Charaktere womöglich glücklich über diesen Zustand sind. So können wir sie uns stets als potenzielle Eltern vorstellen. Undenkbar etwa, dass ein Paar in einem Liebesfilm oder in einer romantischen Komödie vergnügt »Kinder? Nein danke!« sagt. Eine Ausnahme bilden wohl nur Carrie und Mr. Big im zweiten Sex-and-the-City – Film – ob die pelztragenden, konsumfixierten, um sich selbst kreisenden vier New Yorker Freundinnen allerdings wirklich als positive Identifikationsfiguren taugen, sei dahingestellt.
Mit der Glorifizierung der Elternschaft und dem Totschweigen der Kinderfreiheit ist es allerdings nicht getan. Um auf Nummer sicher zu gehen, dass die mediale Botschaft beim Publikum auch wirklich ankommt, werden Kinderlosigkeit und Kinderfreiheit pathologisiert, lächerlich gemacht, dämonisiert. Kinderlosigkeit als behandlungsbedürftiger Zustand, als grausames Schicksal gar. Und als bitterer Preis, den die Frauen für ihre Flausen vom beruflichen Erfolg, die ihnen die bösartigen Feministinnen in den Kopf gesetzt haben, bezahlen müssen, wie bereits im Oktober 1979 die Zeitschrift psychologie heute warnte: »Unfruchtbar« prangt drohend über einem Foto, auf dem eine »Karrierefrau« zu sehen ist, die voll Sehnsucht auf ein Kind im Kinderwagen blickt. Und nicht ganz dreißig Jahre später bläst die Zeit – Redakteurin Susanne Gaschke mit ihrem Buch Die Emanzipationsfalle. Erfolgreich, einsam, kinderlos ins gleiche Horn. Frauen ohne Kinder als Mangelwesen, schlimmstenfalls als gefährliche Psychopathinnen (wie Glenn Close in Eine verhängnisvolle Affäre ); Männer ohne Kinder als verantwortungsscheue Gesellen, die einfach nicht erwachsen werden wollen ( About a boy ), jedoch letzten Endes unter tatkräftiger Mithilfe ihrer fortpflanzungswilligen Frauen zur Vernunft kommen ( Nine months ) – da ist es nur konsequent, dass ihnen auch die Schuld an den Ergebnissen politischer Fehlentscheidungen wie den Problemen der Sozialversicherungssysteme zugeschoben wird.
Und weiter im Film: Während Kinderfreiheit gewissermaßen als Synonym für Selbstsucht dargestellt und wahrgenommen wird, wird Elternschaft umgekehrt gerne mit Selbstlosigkeit gleichgesetzt; eine Beschäftigung mit den egoistischen Seiten der Elternschaft findet nicht statt. Was will uns das sagen? Nun, damit wird geschickt unterschlagen, dass auch die Entscheidung für Kinder – so steht jedenfalls im realen Leben zu hoffen – nicht getroffen wird, um tapfere kleine Konsumsoldaten fürs Vaterland zu produzieren, sondern weil sich die Eltern davon einen Zugewinn an Glück versprechen, also aus durchaus eigennützigen Motiven. Und auch wenn Eltern eigene Wünsche zurückstellen, um die Bedürfnisse ihrer Kinder zu erfüllen, handeln sie nicht selbstlos, sondern kommen lediglich der Verantwortung nach, für deren Übernahme sie sich aus freien Stücken entschieden haben. Der Entschluss zur Elternschaft basiert vor allem dann auf egoistischen Motiven, wenn das Kind nur als Mittel zum Zweck betrachtet wird, etwa als Beziehungskitt oder als »Stammhalter«. Erst recht gilt das, wenn Elternschaft ohne Rücksicht auf die Belange anderer, auch die des Kindes, angestrebt wird, etwa wenn Personen wider besseres Wissen Kinder bekommen, obwohl sie aus emotionalen, gesundheitlichen, finanziellen oder sonstigen Gründen nicht in der Lage sind, für diese Kinder ausreichend zu sorgen. Oder wenn eine Frau durch Schwangerschaft oder Geburt ihre Gesundheit oder gar ihr Leben aufs Spiel setzt. Letzteres Verhalten wird jedoch gerade im Film nicht als ichbezogen abgekanzelt, sondern häufig heroisch verklärt. Der Film Magnolien aus Stahl stammt zwar bereits aus dem Jahr 1989, illustriert diese Haltung aber hervorragend: Der schwer zuckerkranken Shelby, mit deren Hochzeitsvorbereitungen der Film beginnt, wurde dringend von einer Schwangerschaft abgeraten, da diese sie das Leben kosten könnte. Ihre Mutter bittet den Bräutigam daher eindringlich, auf eigene Kinder zu verzichten und die Verantwortung dafür selbst in die Hand zu nehmen, da ihre Tochter diesbezüglich möglicherweise unvernünftig sei. Dennoch wird Shelby bald nach der Hochzeit schwanger. In einer rührenden Szene erklärt sie ihrer entsetzten Mutter, dass sie lieber das Risiko zu sterben eingeht als ein belangloses Leben zu führen, in dem sie kein Kind auf die Welt bringt und daher nichts »Besonderes« erreicht.
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