Kinderfrei
Verweigerung der Elternschaft wird erschwert und abgestraft, etwa durch restriktive Abtreibungsregelungen, höhere Pflegeversicherungsbeiträge oder eben auch durch die Androhung von Rentenkürzungen.
Aber auch im bunten Kulturbetrieb wird Elternschaft machtvoll auf allen Kanälen als Norm etabliert. Sie wird uns von Kindesbeinen an subtil quasi als Unausweichlichkeit vermittelt – beispielsweise durch die Dominanz von Vater-Mutter-Kind-Konstellationen in Schulbüchern und durch beiläufige Formulierungen wie »Wenn du erst mal selbst Kinder hast …« Ja, Elternschaft wird geradezu glorifiziert: als alleiniger Beweis von Reife, Fürsorglichkeit und Verantwortungsbewusstsein, als bedeutendste Leistung, die ein Mensch, vor allem ein weiblicher, vollbringen kann, und als Quelle von Glück und Erfüllung für jeden. Das beginnt schon damit, dass die einzig sozial akzeptable Reaktion auf die Mitteilung einer Schwangerschaft oder Geburt in einem »Herzlichen Glückwunsch« besteht, wobei man jeglichen Sarkasmus sorgfältigst zu vermeiden hat. Der Boulevard feiert Schwangerschaften der Stars und Sternchen mit einer Begeisterung, die dem Gewinn eines Oscars eher angemessen wäre. Und selbstverständlich wird jede Schauspielerin oder Sängerin, die etwas auf sich hält, fortan verkünden, dass sie nicht etwa ihre künstlerischen Erfolge, sondern die Mutterschaft für die bedeutendste Leistung ihres Lebens hält – wie Natalie Portman, die, hochschwanger, auf der Oscar-Verleihung 2011 dem Vater ihres zukünftigen Kindes dafür dankte, dass er ihr die »wichtigste Rolle ihres Lebens« verschafft habe.
Filme, Serien, Fotostrecken in Zeitschriften – sie alle überfluten uns mit Bildern glücklicher Familien. Verstärkt wird dieses Bild noch durch die Werbung, die das Familienleben als eine einzige Aneinanderreihung von Glücksmomenten präsentiert: Lachende Paare mit strahlenden Kindern, die gemeinsam kuscheln, spielen, essen oder sonstige Aktivitäten genießen. Die negativen Seiten der Elternschaft sind in der öffentlichen Darstellung dagegen völlig unterrepräsentiert. Es sei denn in Verbindung mit Klagen über ein kinderfeindliches Umfeld, mangelnde gesellschaftliche Unterstützung, die fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf, etc. Klagen also, die mit der pronatalistischen Agenda, den Lebensentwurf Familie mit Kindern zu fördern, konform gehen. Nachteile jedoch, die Menschen ernsthaft abschrecken könnten, weil sie sich auch durch die elternfreundlichste Politik der Welt nicht vermeiden oder kompensieren ließen, bleiben weitgehend unsichtbar. Die körperlichen Leiden bei der Geburt, der mögliche Verlust sexueller Erregung durch eine Weitung der Vagina, das Eingeständnis, dass die Beschäftigung mit Kleinkindern einen halbwegs intelligenten gebildeten Erwachsenen vor Langeweile die Wände hochtreiben kann – all das ist kein Thema für die Medien. Jedenfalls nicht, ohne pflichtgemäß ein »Aber das ist es alles wert« hinterherzuschieben. Die Befürchtung, dass es das eben nicht alles wert ist, persönliche Zweifel an der getroffenen Entscheidung oder gar Bedauern haben im öffentlichen Diskurs keinen Platz, ebenso wie das selbstbewusste Bekenntnis zur glücklichen Kinderfreiheit. Es ist kein Zufall, dass die französische Autorin Corinne Maier mit ihrem Buch No Kid. 40 Gründe, keine Kinder zu haben heftigste Empörung ausgelöst hat, weil sie es gewagt hatte, als Mutter die negativen Seiten des Kinderkriegens zu benennen und den hohen Wert der Elternschaft sowohl für die Gesellschaft als auch für das Glücksempfinden des Einzelnen anzuzweifeln. Auch die Verantwortung von Eltern für die gesellschaftlichen Kosten von Kindesmisshandlung und – vernachlässigung (z. B. Kosten für die Unterbringung von Kindern in Pflegefamilien oder Heimen, die Folgekosten von psychischen und körperlichen Problemen misshandelter oder vernachlässigter Kinder wie besonderer Förderbedarf, medizinische und therapeutische Betreuung, Kriminalität und Drogensucht) wird nicht öffentlich diskutiert.
Des Weiteren fällt auf: Der positiven Darstellung von Eltern in Filmen oder Serien entspricht eine deutliche Abwesenheit positiver kinderfreier Charaktere. Kinderfreiheit als positiver Lebensstil wird dem Publikum schlicht nicht präsentiert, ja nicht einmal theoretisch erörtert. Stattdessen herrscht beredtes Schweigen. Wir erfahren nichts darüber, ob die Nichtexistenz von Kindern im Leben positiver Charaktere den Umständen
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