Kinderkrankheiten von A–Z
den letzten 15 Jahren die Verschreibungen von Ritalin und Artverwandten verdreifacht – in den USA nimmt bereits jedes 25. Kind entsprechende Medikamente. Kritiker bemängeln die zu schnelle Gabe bei »Normabweichungen« – wer aus der Reihe tanzt, wird medikamentös behandelt, zu Lasten der individuellen Charakterbildung.
Umstritten ist die Medikamentengabe auch wegen der möglichen, noch zu wenig erforschten Langzeitfolgen. Methylphenidat fällt in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetzund begünstigt möglicherweise eine Sucht. Daneben wird seit Jahren kontrovers diskutiert, ob sich die Langzeitgabe eines Wirkstoffs, der in den Hirnstoffwechsel eingreift, nicht negativ auf die Gehirnentwicklung auswirkt.
Das passende Umfeld
Ein regelmäßiger Tagesablauf und ausreichend Schlaf verbessern die Gesamtsituation und führen manchmal dazu, dass die Medikamentendosis reduziert werden kann.
ZUM WEITERLESEN
Buchtipp
Udo Baer, Waltraut Barnowski-Geiser: Innenwelten hyperaktiver Kinder, Affenkönig Verlag, 2005
Das Autorenduo zeigt anhand von 15 Fallgeschichten auf, wie sich Menschen mit ADHS fühlen und in welchen Umgebungskonstellationen welche Therapie was bewirkt.
Mit Entspannungsverfahren (→ S. 124 ) und ausreichend Bewegung (→ Aktivität fördern, S. 400 ) können Sie Ihrem Kind helfen, ruhiger zu werden und Aggressionen (→ S. 60 ) abzubauen; daneben können Sie gezielt den häufigen Konzentrationsstörungen (→ S. 222 ) entgegenwirken.
ADHS-Patienten haben nicht nur anstrengende Eigenschaften – oft sind sie sehr sensibel mit ausgeprägtem Mitgefühl und starkem Gerechtigkeitssinn, ihre Begeisterungsfähigkeit kann sich in Kreativität und Offenheit äußern, die Hyperaktivität bahnt manchmal den Weg zum Leistungssport. Stärken Sie in Zusammenarbeit mit einem Verhaltenspsychologen die positiven Eigenschaften Ihres Kindes und damit sein Selbstwertgefühl.
Ernährung
Vielen Kindern hilft eine Ernährungsumstellung auf gesunde Vollkost. Studien konnten zwar bisher keinen eindeutigen Zusammenhang belegen, aber schaden wird eine bewusste Ernährung Ihrem Kind garantiert nicht. Farb- und Konservierungsstoffe in Süßigkeiten (wie Gummibärchen), Limonaden oder bunt gefärbten Nahrungsmitteln führen durchaus zu einem Hyperaktivitätsanstieg; verantwortlich gemacht werden hier vor allem Natriumbenzoat und Phosphate. [ 4 ]
Aggressionen
Aggressionen gehören genauso zum normalen Verhaltensrepertoire eines Menschen wie Angst, Trauer oder Fröhlichkeit – doch man muss damit umgehen können.
Aggressionen werden eingesetzt, um sich mit Gewalt von anderen abzusetzen, diese zu schädigen und einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen – dieses Verhalten ist im Tierreich bei der Balz oder auf Beutezug sinnvoll. In der menschlichen Gesellschaft wird aggressives Verhalten nicht nur negativ gesehen, sondern in der Geschäftswelt als Durchsetzungsvermögen und Energie umgedeutet – interessanterweise schärft Wut das Urteilsvermögen, was die Strategie erfolgreicher Menschen erklären könnte. [ 5 ]
Mehrere Faktoren zusammen scheinen aggressives Verhalten auszulösen. Die Neigung zu Aggressionen ist wohl von der Aktivität des Botenstoffes Serotonin im Gehirn abhängig – und die wird vererbt. [ 6 ] Auch Alkohol-und/oder Nikotingenuss der Mutter während der Schwangerschaft erhöhen das Risiko für Verhaltensauffälligkeiten. [ 7 ] Daneben hat aggressives Verhalten von Bezugspersonen Vorbildfunktion und wird nachgeahmt – vor allem, wenn es erfolgreich ist. Außerdem produzieren wiederholte Misserfolge zunehmend eine schlechte, gereizte Stimmung, die ab einem gewissen Punkt in Aggressivität umschlagen kann.
Kindliche Aggressionen
Kinder müssen lernen, Aggressionen zu beherrschen, da sonst mit negativen Auswirkungen zu rechnen ist: Dreijährige, die im Kindergarten durch aggressives Verhalten auffallen, bleiben oft überdurchschnittlich aggressiv und werden als junge Erwachsene häufiger straffällig. Daneben wirkt sich Aggressivität auch negativ auf Schulleistung und Berufsleben aus: Aggressive Kinder erreichen häufig nicht den Schulabschluss, den sie aufgrund ihres Intelligenzquotienten erreichen könnten, und sie erhalten seltener eine ihrem Abschluss entsprechende Arbeitsstelle. [ 8 ] Daneben erkranken Menschen mit aggressivem Verhalten eher an Bluthochdruck, Diabetes und Arteriosklerose.
Während Kinder bis zum 3. Lebensjahr Wut und Zorn nur körperlich ausdrücken können, sind sie ab
Weitere Kostenlose Bücher