Kinderkrankheiten von A–Z
Verhaltensauffälligkeit öfter diagnostiziert als bei Mädchen, vermutlich weil sie häufiger an der hyperaktiven Form leiden. Allerdings hat sich das Geschlechterverhältnis zwischen Mädchen und Jungen von 1:9 auf 1:3 verringert – wahrscheinlich wegen der verfeinerten Diagnosekriterien.
Mögliche Ursachen und Folgen
Mehrere Faktoren müssen wohl zusammentreffen, damit ADHS entsteht: Zum einen scheint die Neigung zu ADHS genetisch bedingt zu sein – die Hälfte aller ADHS-Patienten hat eine vererbbare Störung der Signalübertragung im Gehirn. Daneben ist möglicherweise eine erhöhte Konzentration des biochemischen Stoffes Cholin an der Krankheitsentstehung beteiligt. [ 2 ]
Auch zeigt sich bei Kindern mit Hyperaktivität eine verzögerte Hirnreifung – gerade das Frontalhirn, das für Aufmerksamkeit und Konzentration zuständig ist, scheint um bis zu 5 Jahre langsamer zu reifen, während sich die Hirnrinde, die die Motorik koordiniert, schneller entwickelt; [ 3 ] übrigens verzögert auch Rauchen während der Schwangerschaft die Hirnreifung. Zum anderen verstärken wohl äußere Faktoren wie permanente Überforderung, Stress im familiären Umfeld und ein Erziehungsstil, der wenig Grenzen und Regeln kennt, bei entsprechender Krankheitsbereitschaft die Erkrankung.
Fast die Hälfte aller ADHS-Betroffenen scheint auch im Erwachsenenalter noch unter ADHS zu leiden – allerdings äußert sich dann z. B. Hyperaktivität eher als starke innere Unruhe. Oft treten neben ADHS andere psychische Probleme auf, z. B. Depressionen und Angststörungen, das Risiko für Drogenmissbrauch ist erhöht.
Was Sie für Ihr Kind tun können
Sollten Sie auch von Erzieherinnen oder Lehrern die Rückmeldung bekommen, dass Ihr Kind zunehmend durch sein Verhalten in der Gruppe auffällt, sprechen Sie offen mit dem Kinderarzt über Ihre Bedenken und Ihren Verdacht auf ADHS. Ob Ihr Kind wirklich daran leidet, klärt am besten ein in ADHS-Diagnostik versierter Kinder- und Jugendpsychiater – vielleicht durchläuft es auch nur in seiner Entwicklung gerade eine schwierige Phase, die sich durch familiären Stress und zu wenig Bewegung und altersgerechte Tätigkeiten verstärkt? Lassen Sie Ihren Arzt auch wenig bekannte Auslöser wie die Kryptopyrrolurie (→ S. 113 ) oder ein KiSS-Syndrom (→ S. 219 ) ausschließen – die einfache Therapie dieser Krankheitsbilder bessert die Symptome einer ADHS vielfach oder sie verschwinden sogar ganz.
Diverse Tests geben einen Überblick über die geistigen Fähigkeiten, das Verhalten in bestimmten Situationen und die Konzentrationsfähigkeit Ihres Kindes, daneben werden auch Bezugspersonen Ihres Kindes zu Wort kommen, damit Ihr Arzt ein möglichst umfassendes Bild Ihres Kindes erhält.
Kombinationstherapie Bei leichten Konzentrationsstörungen reicht manchmal eine alleinige verhaltenstherapeutische Behandlung aus, bei starken Aggressionen kann die medikamentöse Therapie vielleicht erst den Weg für eine psychotherapeutische Behandlung ebnen.
Meist werden mehrere Behandlungsstränge gleichzeitig eingesetzt: Psychotherapeutisch sind eine Verhaltenstherapie Ihres Kindes, die oft das Marburger Konzentrationstraining (eine dem autogenen Training ähnliche Methode) beinhaltet, eine Familientherapie für Sie und Geschwisterkinder, um passende Verhaltensstrategien zu erlernen, sowie ergotherapeutische Maßnahmen sinnvoll. Medikamente mindern die Symptomatik bei regelmäßiger Einnahme; in Kindergarten oder Schule wird Ihrem Kind eine spezielle Förderung zuteil. Eine wichtige Rolle kommt der Aufklärung aller Betroffenen über den Krankheitscharakter zu: Die Diagnose ADHS ist weder eine Geisteskrankheit, noch ist das betroffene Kind dumm oder faul!
Reizwort Ritalin®
Seit fast 50 Jahren wird in der ADHS-Behandlung Methylphenidat eingesetzt, besser bekannt unter seinem Handelsnamen Ritalin. Dieser stimulierende, amphetaminähnliche Wirkstoff erhöht die Konzentration der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin an den Zielzellen im Gehirn und wirkt bei Gesunden aufputschend und anregend. Bei ADHS scheint die Stimulation bestimmte Hirnregionen zu aktivieren, die Kontrollfunktionen innehaben: Nach der Einnahme des Medikaments ist ein ADHS-krankes Kind für 3–5 Stunden konzentrierter, ruhiger und weniger impulsiv – verlockend für überanstrengte Eltern und alle, die unter dem aggressiven Verhalten zu leiden haben.
Zwar folgt die Gabe dieses Wirkstoffs klaren Behandlungsgrundsätzen, doch haben sich in
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