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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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hatte.
    „Wer leitet die Aktion?“, fragte Servaz.
    „Capitaine Bécker.“
    „Ist er drinnen?“
    „Ja, aber ich weiß nicht, ob …“
    Ohne das Ende des Satzes abzuwarten, ging Servaz um den Gendarmen herum.
    „MARTIN!“
    Er wandte den Kopf nach links. Etwas weiter weg in der Gasse parkte ein Peugeot 307. Auf der Fahrerseite erblickte er hinter der offenen Tür eine Person, von der er bis heute Abend geglaubt hatte, dass er sie nie wiedersehen würde.
     
    Die Wassermassen, die vom Himmel herabstürzten, die blendenden Scheinwerfer und Blaulichter, die Gesichter unter den Regenhäuten – alles war verschwommen. Trotzdem hätte er ihre Silhouette unter Tausenden erkannt. Sie trug einen Regenmantel mit hochgeschlagenem Kragen, und im Nu trieften ihr gelocktes blondes Haar, durch das ein gerader Mittelscheitel lief, und die Strähne, die in ihre linke Gesichtshälfte fiel, vor Nässe. Sie war es. Kerzengerade stand sie da, mit gehobenem Kinn, eine Hand auf die Tür gelegt: Genau so hatte er sie in Erinnerung. Ihr Gesicht war von Angst und Schmerz entstellt, aber ihren Stolz hatte sie nicht verloren.
    Gerade diesen Stolz hatte er damals so an ihr geliebt. Ehe er zu einer Mauer zwischen ihnen geworden war.
    „Hallo, Marianne“, sagte er.
    Sie ließ die Wagentür los und stürzte auf ihn zu. Im nächsten Moment lag sie in seinen Armen. Er spürte, wie ihn in eine leichte Erdbebenwelle durchlief, wie sie von Schluchzern geschüttelt wurde. Er umarmte sie, ohne sie an sich zu drücken. Es war eher eine förmliche als eine innige Geste. Wie viele Jahre? Neunzehn? Zwanzig? Sie hatte ihn aus ihrem Leben verbannt, sie war mit einem anderen durchgebrannt, und noch dazu hatte sie es fertiggebracht, die Schuld auf ihn zu schieben. Er hatte sie geliebt, oh ja … Vielleicht mehr als jede andere Frau vor und nach ihr … Aber das war in einem anderen Jahrhundert, vor so langer Zeit …
    Sie rückte ein wenig von ihm ab und sah ihn an; ihr nasses langes Haar streifte seine Wange. Wieder spürte er, wie ihn eine leichte Erdbebenwelle durchlief, Stärke 4 auf der Servaz-Skala. Ihre Augen so dicht vor ihm glichen zwei schimmernden grünen Teichen. Er las darin lauter gegensätzliche Gefühle. Unter anderem Schmerz. Kummer. Zweifel. Angst. Aber auch Dankbarkeit und Hoffnung. Eine winzige, eine schüchterne Hoffnung … die sie in ihn setzte. Er schaute weg, um sein pochendes Herz zu beruhigen. Neunzehn Jahre, und bis auf die feinen Falten an ihren Augen- und Mundwinkeln hatte sie sich praktisch nicht verändert.
    Er erinnerte sich wieder, was sie am Telefon gesagt hatte: „ Es ist etwas Schreckliches passiert …“ Im ersten Augenblick hatte er gedacht, sie spräche von sich selbst, von etwas, was sie getan hatte – ehe er begriff, dass es um ihren Sohn ging: „ Hugo … Er hat eine tote Frau in ihrem Haus gefunden … Alles spricht gegen ihn, Martin … Man wird sagen, dass er es war …“ Ihre Stimme war vom Schluchzen so zerhackt, ihre Kehle so zugeschnürt, dass er nicht einmal die Hälfte ihrer Worte verstanden hatte.
    „ Was ist passiert?“
    „ Er hat mich gerade angerufen … Er wurde unter Drogen gesetzt … Er ist im Haus dieser Frau aufgewacht, und sie war … tot … “
    Das war doch absurd, ergab keinen Sinn. Er fragte sich, ob sie etwas getrunken oder geraucht hatte.
    „ Marianne, ich verstehe kein Wort. Von wem sprichst du? Wer ist diese Frau? “
    „Eine Lehrerin. In Marsac. Eine seiner Lehrerinnen.“
    Marsac … Wo Margot studierte . Selbst am Telefon hatte er nur mit Mühe seine Betroffenheit verbergen können … Dann hatte er sich gesagt, dass es in Marsac an der Universität, am Gymnasium und an der Mittelschule insgesamt wohl gut hundert Lehrkräfte gab. Wie hoch war da die Wahrscheinlichkeit, dass diese Frau ausgerechnet Margot unterrichtet hatte?
    „ Sie werden es ihm in die Schuhe schieben, Martin … Er ist unschuldig. Hugo ist zu so etwas gar nicht fähig … Ich bitte dich, du musst uns helfen …“
    „Danke, dass du gekommen bist“, sagte sie. „Ich …“
    Er unterbrach sie mit einer Handbewegung.
    „Nicht jetzt … Fahr nach Hause. Ich melde mich.“
    Verzweifelt sah sie ihn an. Ohne ihre Antwort abzuwarten, wandte er sich von ihr ab und ging auf das Haus zu.
     
    „Capitaine Bécker?“
    „Ja.“
    Zum zweiten Mal zückte er seinen Dienstausweis, obwohl es im Haus schwierig war, überhaupt irgendetwas zu erkennen.
    „Commandant Servaz, Kripo Toulouse. Das hier ist Lieutenant

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